Adventskalender 2019

Martin von Broock


Dr. Martin von Broock
ist Vorsitzender des Vorstands Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik e.V.

Wofür würden Sie stiften?

“Das ist keine einfache Frage. Und während ich mir darüber den Kopf zerbreche, kommt meine Tochter herein. Freudestrahlend erzählt sie mir, dass sie jetzt Konfliktlotsin an ihrer Schule wird. Konfliktlotsen unterstützen streitende Parteien bei der Suche nach dem „Verbindenden“: Worin sind wir ähnlich? Was teilen wir? Worin sind wir anders? Was sollten wir voneinander wissen, um uns besser zu verstehen? Das Konfliktlotsenmodell bereitet Kinder darauf vor, dass Streiten zwar zum Leben dazugehört, wir aber vernünftig damit umgehen können (und sollten!). Vermutlich liegt darin eine der wichtigsten Kompetenzen überhaupt – für die Selbstführung wie auch zur Führung anderer. 

Dann kommen mir die aktuellen Schlagzeilen in den Sinn – zur transatlantischen Zusammenarbeit, der Zukunft Europas, zu Klimaschutz, digitaler Transformation, wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit, Migration und zum sozialen Zusammenhalt. Und mir stellt sich unweigerlich die Frage: Auf welche gemeinsamen Grundlagen berufen sich die Streitenden überhaupt noch im zunehmend unvernünftigen Wettbewerb um Zuspitzungen, Deutungshoheiten und Meinungsführerschaft? Wer trägt Sorge dafür, dass uns das Verbindende nicht abhandenkommen – selbst dann nicht, wenn man offenbar auch mit „alternativen Fakten“ und Respektlosigkeiten erfolgreich sein kann? Wo sind unsere Konfliktlotsen im gesellschaftlichen Diskurs?

Im Lichte dessen würde ich für die Förderung von Brückenbauern in unserer Gesellschaft stiften: Ich würde Menschen und Organisationen unterstützen, die vermeintlich Gegensätzliches zusammen denken; die Freiheit und Ordnung und ebenso Zukunft und Herkunft als zwei Seiten derselben Medaille begreifen; die sich deshalb auch unter immer lauteren Rufen nach mehr Radikalität – in wessen Namen auch immer – nicht vom Weg der Verständigung und Aushandlung abbringen lassen; und die die Geduld, Energie und Empathie aufbringen, ihre eigene Komfortzone zu verlassen um sich immer wieder mit neuen, manchmal auch unbequemen Sichtweisen auseinanderzusetzen. 

Die Heinz und Heide Dürr Stiftung leistet hier wichtige Beiträge: Über ihre Projekte führt sie Menschen aus Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zusammen und unterstützt so Verständigung und Zusammenarbeit über den jeweiligen Tellerrand hinaus. Bei uns am Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik fördert die Stiftung Dialoge zur digitalen Zukunft – mit Nachwuchskräften und ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis. „Wir haben uns zu wenig gestritten“, beklagt sich Heinz Dürr bisweilen im Nachgang von Diskussionsrunden. Und meint: Wenn wir uns nicht streiten, können wir uns auch nicht besser verstehen. Aber nur wenn wir uns vernünftig streiten, kann aus Verstehen Verständnis und aus Verständnis Toleranz und bestenfalls Zusammenarbeit erwachsen. 

Umso mehr hoffe ich, dass wir uns in diesem Sinne und mit vereinten Kräften auch künftig als Konfliktlotsen engagieren und möglichst noch viele andere dazu anstiften.”  

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