v.l. Hans Eike von Oppeln-Bronikowski, Isa Baumgarten, Dr. Katrin Schlecht
10. Juli 2025 Stiftung Impulsgespräche

Impulsgespräch: Dr. Katrin Schlecht, Hans Eike von Oppeln-Bronikowski und Isa Baumgarten

Im Mittelpunkt dieses Tridem-Gesprächs zwischen Dr. Katrin Schlecht, Hans Eike von Oppeln-Bronikowski und Isa Baumgarten stehen die Fragen, welche Aufgaben Stiftungen zugeschrieben werden, welche Rolle sie sich selbst geben und vor welchen möglichen Herausforderungen Stiftungen stehen.

Dr. Katrin Schlecht ist seit 2012 Vorstandsmitglied der Karl Schlecht Stiftung (KSG) und hat 2022 als Vorstandsvorsitzende die Nachfolge ihres Vaters, des Gründers und Stifters Karl Schlecht, angetreten. Seit 2013 ist Dr. Katrin Schlecht Mitglied des Aufsichtsrates der Heinz und Heide Dürr Stiftung.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski ist seit 2013 Mitglied des Aufsichtsrates der Heinz und Heide Dürr Stiftung und hat 2023 den Vorsitz des Aufsichtsrates übernommen. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Erb- und Stiftungsrecht ist Hans Eike von Oppeln-Bronikowski verantwortlich im Vorstand oder Aufsichtsrat von acht Stiftungen, unter anderem als Vorstandsvorsitzender der Ruck – Stiftung des Aufbruchs.

Isa Baumgarten leitet die Heinz und Heide Dürr Stiftung mit Sitz in Berlin seit 2004. Bereits vor Stiftungsgründung hat sie den Unternehmer Heinz Dürr seit 1995 bei der Deutschen Bahn als persönliche Referentin unterstützt und war bis 2023 als Geschäftsführerin der Heinz Dürr GmbH tätig.

Welche Aufgaben haben Stiftungen? Macht es einen Unterschied, welche Aufgaben sich Stiftungen selbst geben und welche ihnen von außen zugeschrieben werden?

Isa Baumgarten: Heide und Heinz Dürr haben sich bei dieser Frage gerne auf das Grundgesetz Art. 14 bezogen: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Das bedeutet, diejenigen, die einen gewissen Wohlstand erreicht haben, sollen der Gesellschaft etwas zurückgeben. Und weil eine Gesellschaft nur dann funktionieren kann, wenn sich jede*r einzelne der Verantwortung bewusst ist und sie auch übernimmt, versteht sich die Heinz und Heide Dürr Stiftung als Impulsgeberin und dabei insbesondere in den Bereichen Bildung, Kultur und Forschung.    

Dr. Katrin Schlecht: In erster Linie sollen sie natürlich die Intentionen des Stifters oder der Stifterin umsetzen. Allerdings ist es wichtig, dass sich Stiftungen hier auch am Puls der Zeit weiterentwickeln können, um die Gelder bedarfsgerecht einsetzen zu können. Und ja, es macht einen Unterschied. Das was insbesondere gemeinnützige Stiftungen machen und wie sie es machen, ist in der Öffentlichkeit oftmals wenig bekannt. Die Organisationsform wird von außen manchmal noch sehr polar als Steuersparmodell oder finanzielles „Allheilmittel“ betrachtet. Eine Stiftung sollte daher aus sich heraus authentisch sein und sich klar in ihren Aufgabenfeldern positionieren.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski: Der Stifterwille ist maßgeblich und unter Einsatz der Erträge seines Vermögens sollte die Stiftung dort tätig sein, wo der Stifter oder die Stifterin nachfrageorientiert die erforderliche Zweckverwirklichung für die Stiftung gesehen hat, aber natürlich sollten gesellschaftliche Entwicklungen, die, wenn die Stifter*innen sie gesehen hätten, diese zur Anpassung des Stiftungszwecks und seiner Maßnahmen veranlasst hätten, mitberücksichtigt werden.

Die Heinz und Heide Dürr Stiftung kooperiert beispielsweise im Bereich Kultur und Forschung mit der Karl Schlecht Stiftung und im Bereich Bildung mit der Ruck-Stiftung des Aufbruchs. Warum sind Kooperationen zwischen Stiftungen aus Ihrer Sicht wichtig?

Dr. Katrin Schlecht: Aus zweierlei Hinsicht: Zum einen gibt es Projekte, die eine Stiftung alleine nicht stemmen kann. Als Team ist man immer stärker. Zum anderen ergänzen sich oftmals Wirkungsfelder durch die Kooperationen ideal. Ein großer Vorteil ist genau dieses Netzwerk, das gemeinsam eben mehr erreichen kann, als eine Stiftung allein.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski: Kooperationen stärken die Wirkung des Stiftungshandelns, erlauben die Überwindung von Projektegoismus im Interesse der Verwirklichung der Stiftungszwecke und verstärken die Wirkungsmacht gemeinnützigen Handelns.

Isa Baumgarten: Dem kann ich mich nur anschließen. Vor allem kleine und fördernde Stiftungen können gemeinsam langfristige Programme und Projekte unterstützen und so gemeinsam Strukturen schaffen, die auf Nachhaltigkeit und Wirkung ausgerichtet sind. Neben den Kooperationen mit anderen Stiftungen ist es zunehmend auch sinnvoll, sich als Stiftung größeren Verbänden wie z.B. dem Bundesverband Deutscher Stiftungen anzuschließen.

Heinz Dürr war es 2017 ein Anliegen, die Satzung im Förderzweck Forschung um das Förderfeld Digitalisierung zu ergänzen. Wie wichtig ist es, dass Stiftungen ihren in der Satzung festgelegten Förderzwecken treu bleiben oder diese gegebenenfalls an gesellschaftliche Entwicklungen anpassen?

Dr. Katrin Schlecht: Nun das eine tun, schließt das andere ja nicht aus! Es ist aus meiner Sicht kein entweder oder, sondern ein UND. Der grundsätzliche Förderzweck sollte erhalten bleiben, in der Umsetzung sollte man sich als Stiftung jedoch immer weiterentwickeln können. Wir fördern Persönlichkeitsentwicklung, da ist Veränderung immanent!

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski: Im Rahmen des seitens des Gesetzgebers vorgegebenen Regelungen für Ewigkeitsstiftungen ist eine Anpassung des Stiftungszwecks ausnahmsweise möglich, soweit darin der Wille der Stifter*innen erkannt werden kann. Dann aber unbedingt.

Isa Baumgarten: Heinz Dürr war ein Visionär. Und er erkannte durch seine durchweg aktive Tätigkeit als internationaler Unternehmer, dass Deutschland zwar technisch nicht den Anschluss verlieren darf, aber auch Verantwortung übernehmen muss. Somit war für ihn die Erweiterung des Forschungszwecks in der Satzung eine Antwort auf Entwicklungen, die so bei Gründung der Stiftung in 1999 noch gar nicht absehbar waren. Digitale Transformationen zu verstehen und diese auf der Grundlage ethischer Prämissen zu hinterfragen, war und ist hier das Grundanliegen.

Sowohl die Karl Schlecht Stiftung als auch die Heinz und Heide Dürr Stiftung sind bereits seit einem Vierteljahrhundert aktiv - was braucht es, um Stiftungen über einen so langen Zeitraum auf Kurs zu halten?

Dr. Katrin Schlecht: Eine klare Vision und ein tolles Team, das für den Stiftungszweck brennt und ihn weiterträgt.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski: Passende schlanke Strukturen, verlässliches Handeln im Anlage- und Förderbereich, nachfrageorientiertes Tätigwerden in den Programmen, Beständigkeit im unternehmerischen Handeln einschließlich der Zahlung einer angemessenen Vergütung für engagierte Mitarbeitende.

Isa Baumgarten: Der aus dem französischen stammende Begriff "Engagement" und seine deutsche Übersetzung "Verpflichtung oder Einsatz" fassen das ganz gut zusammen. Sich zu engagieren bedeutet auch, Mut zu haben, gewisse Risiken einzugehen. Es ist eine Verpflichtung dazu, die Ressourcen bestmöglich einzusetzen und sein Tun immer wieder auf den Prüfstein zu legen und zu hinterfragen. Kursänderungen sind möglich, wenn die Ziele nicht aus dem Blick geraten und angesteuert werden. Wir steuern unsere Ziele über einen Mix sowohl von Förderungen als auch operativer Arbeit an und indem wir unsere Projektpartnerschaften auf eine langfristige Zusammenarbeit ausrichten.

Die beiden Stiftungsgründer Karl Schlecht und Heinz Dürr sind kürzlich verstorben, die Nachfolge haben unter anderem Familienmitglieder angetreten - ist eine Stiftung, die den Namen der Stifter*innen trägt, in gewisser Weise eine „Familienangelegenheit“?

Dr. Katrin Schlecht: Ja und Nein. Einerseits ist eine Stiftung ein familiäres Vermächtnis, das idealerweise auch von Familienmitgliedern in Folgegenerationen gepflegt wird. Andererseits ist nicht der Name das Entscheidende, sondern die dahinterliegende Intention und dass Stiftungen - wie andere Organisationen auch – professionell geführt werden. Da kann es wie bei jedem Familienunternehmen auch mal Änderungen geben.

Isa Baumgarten: Meines Erachtens ist die Einbeziehung der Nachfolgegenerationen von Stifter*innen aus mehreren Gründen wichtig. Die Familie kennt nicht nur die in der Satzung formulierten formalen Kriterien. Sie ist auch durch ein gemeinsames Aufwachsen mit der Denkweise der Gründer*innen als Privatpersonen vertraut und kann diese somit besser berücksichtigen und bewahren. Deshalb bewährt es sich, die Familie mit ihren Anregungen zu Rate zu ziehen – unabhängig von ihrer Position innerhalb der Stiftung.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski: Stiftungen sind auch Familienangelegenheiten, soweit der Wille von Familienmitgliedern zum Engagement im Sinne der Stifter*innen vorhanden ist, aber jede Stiftung „emanzipiert“ sich dennoch auch von den Stifter*innen und den Familien und das ist gut so, denn sonst würden viele Stiftungen heute nicht mehr existieren. Das Ewigkeitsgebot gilt!

Gibt es aus Ihrer Sicht besondere Herausforderungen für Stiftungen, insbesondere für die Gegenwart und Zukunft?

Dr. Katrin Schlecht: Nun, ich glaube sich treu zu bleiben und am Puls der Zeit zu sein ist auch hier das A und O. Unser Motto ist „Tradition bewahren – Zukunft gestalten“ – in puncto Good Leadership bedeutet das für uns, dass wir uns mit den Menschen weiterentwickeln und sie bei der Bewältigung der Herausforderungen ihrer Zeit bestmöglich unterstützen wollen.

Hans Eike von Oppeln-Bronikowski: Die Abgrenzung von umsichtigem Handeln zu besonderen Herausforderungen dürfte hier schwierig sein. Besonders ist stets, dass eine Stiftung stets den Willen verkörpert, für andere – also die Gemeinschaft – jenseits des eigenen wirtschaftlichen Interesses etwas Nachgefragtes und Sinnstiftendes zu tun und bei der Umsetzung gemeinsam mit Freude zu handeln.

Isa Baumgarten: Bei der posthumen Verleihung der Rudolf-Diesel-Medaille wurde Heinz Dürr in der Kategorie "Erfolgreichste Innovationsleistung" ausgezeichnet und von seinem Enkel Camilo Dürr folgendermaßen zitiert: „Innovation geschieht nicht auf Knopfdruck und kann nicht erzwungen werden.“ In diesem Sinne glaube ich, dass es als Stiftung wichtig ist, wie Katrin Schlecht sagt, am Puls der Zeit zu sein. Ich stimme auch Hans Eike von Oppeln-Bronikowski zu, dass Stiftungen gerade in Zeiten der verstärkten Individualisierung mehr denn je die Aufgabe zukommt, etwas für den Gemeinsinn zu tun und dies in aller Bescheidenheit. So bescheiden wie Heide Dürr bei der Verleihung ihres Bundesverdienstkreuzes am Bande sagte: „Dann ist es halt so, danke, machen wir weiter …!“

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