Kultur

Wenn ein “Schauprozess” bundesweit bewegt…

Neben den zahlreichen Premieren größerer Berliner Theater freuen wir uns insbesondere über die Premieren am „Theater unterm Dach“. Den Premieren-Start macht am 15. September der dokumentarische Krimi „Der Uteruskomplex – Ein Schauprozess“ von Marie Sophie Rautenberg über den „Memminger Prozess“ von 1988 bis 1989.

Über die Rechtmäßigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen – damals wie heute

Das Stück von Marie Sophie Rautenberg behandelt eine immer noch sehr aktuell geführte Debatte über das Thema Schwangerschaftsabbrüche.

Es thematisiert den „Memminger Prozess“ von 1988 bis 1989, bei dem der ehemalige Gynäkologe Dr. Horst Theissen angeklagt wurde. Ermittelt wurde gegen ihn wegen des Verdachts auf illegalen Schwangerschaftsabbruch in mehreren Fällen.

Der Text basiert auf geführten Interviews mit Menschen, die direkt oder indirekt vom „Memminger Prozess“ beeinflusst wurden. In Zentrum stehen Erzählungen von Frauen, die vor Gericht über ihren Abbruch aussagen mussten, als auch von jenen, die in der heutigen Zeit Abbrüche in Deutschland durchlebten.

Die Folgen des Prozesses

In den späten 1980er Jahren löste der Prozess eine bundesweit geführte Debatte zum Thema „Rechtmäßigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen“ aus.

Im Hintergrund des Prozesses stand der kontroverse Paragraph 218 StGB von 1976. Dieser legte eine Indikationslösung für Schwangerschaftsabbrüche fest, die 1980 in Bayern noch einmal verschärft wurde.

Schwangere Frauen mussten demnach bei verschiedenen Stellen zur Indikationsstellung und Beratung vorstellig werden. Anschließend sollte der Abbruch in einer vorgesehenen Klinik stattfinden, in der sich die Frau noch drei Tage aufhalten sollte.

Doch faktisch gab es in Bayern nur wenig Kliniken, die Abbrüche durchführen konnten oder wollten, so dass betroffene Frauen unter Druck gerieten.

Ambulante Abbrüche durch den Gynäkologen Dr. Horst Theissen

Um Frauen in ihrer Situation zu helfen, führte Dr. Theissen Abbrüche ambulant in seiner Praxis durch. Als er wegen Steuerhinterziehung angezeigt wurde, konnte das Finanzamt auch Akten der Schwangerschaftsabbrüche einsehen. Das führte 1988 zu einem weiteren gegen Dr. Theissen gerichtetes Verfahren wegen illegaler Schwangerschaftsabbrüche.

Zusammen mit Dr. Theissen wurden auch 159 Frauen vor Gericht geladen. Davon wurden 79 öffentlich zu intimsten Einzelheiten ihres Privatlebens befragt. Sie wurden mehrfach auf eine Adoption als adäquate Alternative zum Schwangerschaftsabbruch hingewiesen.

Diese Art von Verfahrensführung und Zeug*innenvernehmung gab Grund zum Zweifel an der Neutralität der Strafkammer. So wurde der Prozess auch als „Moderner Hexenprozess“ und „Schauprozess“ bezeichnet.

Nach einer Revision im Jahr 1989 wurde Dr. Horst Theissen zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Das zunächst ausgesprochene Berufsverbot wurde zurückgenommen.

„Der Uteruskomplex – Ein Schauprozess“ am 15. September im „Theater unterm Dach“ um 20 Uhr.

Die Regie zum Theaterstück führt Friederike Förster mit Regieassistenz Caya Freyja Krakor. Es wirken Franziska Kleinert, Bibiana Malay, Marie Sophie Rautenberg, Annalena Steiner als Schauspieler*innen mit.

Ein Stück, das persönliche Geschichten mit aktuell politischen Diskursen verbindet!

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Text: Redaktion, Quelle: Pressetext/Rautenberg, Foto: Tim Heidler