8. April 2025 | Bildung | Impulsgespräche

Elke Büdenbender

Die Richterin und Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist seit 2017 Schirmherrin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) und stärkt damit das zivilgesellschaftliche Engagement für Bildung und Teilhabe junger Menschen. Als operative Stiftung im Bildungsbereich interessiert sich die Heinz und Heide Dürr Stiftung nicht nur für Bildungsfragen im frühkindlichen Bereich, sondern auch für die politischen Zusammenhänge und Strukturen, in denen Bildung stattfindet. In diesem Impulsgespräch gibt Elke Büdenbender Einblicke in genau diese Schnittstellen und ihre Aufgaben.

HHD Stiftung: Sie sind Schirmherrin der DKJS und Ihre Schwerpunkte sind Mädchen- und Frauenförderung sowie die Ausbildungschancen von Jugendlichen. Warum ist es Ihnen wichtig, sich für Bildung zu engagieren? Und welchen Stellenwert hat dabei die frühkindliche Bildung? 

Elke Büdenbender: Bildung ist die Voraussetzung für vieles, was für unser Leben als Menschen und für unsere Gesellschaft wichtig ist. Wir haben jedoch das Problem, dass die Bildungschancen in unserem Land sehr ungleich und ungerecht verteilt sind. Denn oft sind nicht das individuelle Talent, Engagement oder Fleiß entscheidend, sondern leider immer noch die familiären Umstände, unter denen Kinder geboren werden und aufwachsen. Die große Bedeutung und die bestehende Ungerechtigkeit sind die entscheidenden Triebfedern, warum ich mich für gute Bildung engagiere. Hinzu kommt meine Überzeugung, dass wir insbesondere im Bildungsbereich eine starke Zivilgesellschaft benötigen: an Kitas und Schulen, in Vereinen und Initiativen, aber auch an der Seite von Politik, Ministerien und Verwaltungen. 

Natürlich kommt der frühkindlichen Bildung ein besonderer Stellenwert zu, weil in den ersten Lebensjahren entscheidende Grundlagen gelegt werden. Und auch die angesprochenen Ungerechtigkeiten zeigen sich schon bei sehr jungen Kindern, weshalb es notwendig ist, ihnen möglichst früh und entschlossen zu begegnen. Dennoch wäre es falsch, die einzelnen Bildungsphasen oder -orte gegeneinander auszuspielen. Der Zugang zu und die Teilhabe an Bildung sind und bleiben über die gesamte Biografie hinweg wichtig. 

HHD Stiftung: Die Heinz und Heide Dürr Stiftung fördert die Umsetzung des Early Excellence-Ansatzes in Deutschland, der auf eine gute Einbindung der Familien in die Bildungsprozesse ihrer Kinder abzielt. Müsste unser Bildungssystem Ihrer Meinung nach die Familien stärker einbeziehen? 

Elke Büdenbender: Familien spielen für das Aufwachsen und die Bildung von Kindern eine große Rolle. Daher ist es unabdingbar, sie in Bildungsprozesse so gut und eng wie möglich einzubeziehen. Mir ist gleichwohl bewusst, dass dies eine große Herausforderung sein kann. Nicht nur, weil Eltern sehr verschieden sind und unterschiedliche Ansprachen und Angebote benötigen. Sondern auch, weil es immer darum gehen muss, sie in ihrer Rolle als Eltern anzuerkennen und zu stärken. Ihr Recht und die Pflicht, für die eigenen Kinder zu sorgen, sind in unserem Grundgesetz verankert. Daraus leitet sich für Fachkräfte und für uns als Gesellschaft der Anspruch ab, sie nicht als verlängerten Arm von Bildungseinrichtungen zu verstehen. Die Aufgabe besteht darin, sie für eine Zusammenarbeit zu gewinnen und in geteilter Verantwortung dafür zu sorgen, dass alle Kinder die Liebe, das Vertrauen und die Unterstützung erhalten, die sie benötigen. 

Ich kenne und schätze den Early Excellenz-Ansatz unter anderem durch meine Begegnungen mit Kitas oder Familienzentren beim Deutschen Kita-Preis. Die individuellen Fähigkeiten und Stärken von Kindern, aber eben auch von Eltern zum Ausgangspunkt zu machen, halte ich für einen überzeugenden Weg. Auf Ihre konkrete Frage würde ich deshalb antworten: Ja, unser Bildungssystem sollte Familien stärker einbeziehen. Das darf aber nicht als Zwang oder Einmischung verstanden werden, sondern als Ausdruck des unbedingten Willens, Eltern als Verbündete zu gewinnen und gemeinsam zum Wohle ihrer Kinder zu kooperieren. 

HHD Stiftung: Als Patin des DKJS-Programms „Wir stärken Mädchen“ setzen Sie sich dafür ein, dass Mädchen gerechte Bildungschancen erhalten. Warum ist Ihnen das Thema wichtig? Und wie würden Sie aus heutiger Sicht Ihren eigenen Bildungsweg beschreiben? 

Elke Büdenbender: Mein eigener Bildungsweg war, wie bei vielen anderen Frauen meiner Generation, stark von den Rahmenbedingungen und den Erwartungen meines Umfelds geprägt. In meiner Familie war ich das erste Kind, das ein Universitätsstudium absolviert hat. Dabei hatte ich das Glück, immer von meiner Familie, aber auch von Lehrerinnen und Lehrern, Kolleginnen und Kollegen und anderen gefördert und unterstützt zu werden. Aber nicht alle Mädchen und jungen Frauen haben diese Erfahrung gemacht – das gilt leider bis heute. 

Tatsächlich haben sich die Bildungschancen für Mädchen in den letzten Jahrzehnten verbessert, was sich unter anderem an der hohen Abiturquote von Mädchen zeigt. Dennoch stoßen sie weiterhin auf mehr oder weniger unsichtbare Barrieren, wenn es darum geht, die volle Bandbreite ihrer Möglichkeiten auszuschöpfen. Im Programm „Wir stärken Mädchen“ erlebe ich, wie wichtig es ist, Selbstvertrauen zu fördern und Raum zum Ausprobieren verschiedener Berufsfelder zu ermöglichen. Mädchen haben oft nicht den gleichen Zugang zu Rollen und Vorbildern, die ihnen zeigen, dass sie auch in Bereichen erfolgreich sein können, die traditionell als „männlich“ gelten – sei es in naturwissenschaftlich-technischen Berufen, in Führungspositionen oder in der digitalen Welt. 

Wir sehen, dass Mädchen sich bei der Studien- und Berufswahl auf „typisch weibliche“ Felder konzentrieren, die oft schlechter bezahlt sind und geringere Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Auch gesellschaftliche Rollenerwartungen spielen nach wie vor eine große Rolle – sei es bei der Kindererziehung, der Pflege von Angehörigen oder der Frage, wie ambitioniert man in der Karriere sein „darf“. 

Deshalb ist es mir ein Anliegen, Mädchen früh zu ermutigen, selbstbewusst ihre eigenen Stärken zu entdecken und zu nutzen. Die Botschaft muss sein: Es gibt keine Berufe oder Bereiche, die für Mädchen ungeeignet sind. Initiativen wie „Wir stärken Mädchen“ schaffen durch Projekte an Schulen genau den Raum, den es braucht, um Mädchen für Zukunftsthemen zu begeistern – sei es in der Technik, der Wissenschaft oder auch bei der Gründung eines eigenen Unternehmens. Nur so können wir langfristig erreichen, dass Mädchen und Frauen die gleichen Chancen erhalten, sich zu entfalten und ihre Talente voll einzubringen. 

Vielen Dank für das Gespräch.