Dr. Ane Kleine-Engel ist seit 2019 Leiterin der Kinderwelt ANOHA im Jüdischen Museum Berlin. Sie promovierte in Jiddistik und kuratierte seit 2005 unter anderem Ausstellungen für Gedenk- und Begegnungsstätten. Mit diesem beruflichen Werdegang berührt Ane Kleine-Engel zwei wichtige Schwerpunkte unserer Förderarbeit: frühkindliche Bildung und Erinnerungskultur. Diese Verbindung, die sich auch im Gesamtkonzept von ANOHA widerspiegelt, hat uns damals unter anderem davon überzeugt, das Museum und insbesondere die Ausstellungspädagogik in Anlehnung an den Early Excellence-Ansatz mit zu fördern.

1. Das ANOHA richtet sich auch an die ganz jungen Kinder, ab drei Jahren – welchen Stellenwert hat Erinnerungskultur im Konzept der Kinderwelt des Jüdischen Museums Berlin und wie wird dies in den unterschiedlichen Altersstufen umgesetzt?

Dr. Ane Kleine-Engel "ANOHA ist ein Haus, das Kinder und Erwachsene stets gemeinsam besuchen. Dabei ergeben sich immer wieder Möglichkeiten an persönliche Erinnerungen anzuknüpfen, wenn etwa bei den upcycling-Tierskulpturen eine alte Metallwärmflasche gefunden wird oder man ein eisernes Bügeleisen entdeckt, in das einst glühende Kohle eingefüllt wurde. Ausgehend von den Entdeckungen der Kinder entsteht auf diese Weise eine persönliche Verbindung zu den Erlebnissen der Eltern und Großeltern. Vergangenes bleibt nicht abstrakt, sondern wird mit einem konkreten Gegenstand und mit persönlichen Erinnerungen und Gefühlen verknüpft. Dieses individuelle Erleben ist eine wichtige Voraussetzung, um überhaupt erst zu verstehen, was Vergangenheit ist, und was sie mit uns heute zu tun hat."

2. Gibt es Vorurteile oder Berührungsängste der jungen Besucher*innen gegenüber dem Judentum bzw. der jüdischen Kultur und wenn ja, können Sie beschreiben, worin diese bestehen und wie Sie im ANOHA damit umgehen?

Dr. Ane Kleine-Engel: "Junge Kinder sind in der Regel recht aufgeschlossen ihrer Umwelt gegenüber, sodass Berührungsängste – sollten sie aufkommen – meist schnell überwunden werden. Doch auch in dieser Altersgruppe sind Kinder in der Lage, Ideologiefragmente der Gesellschaft um sie herum aufzuschnappen und zu instrumentalisieren. Insbesondere die Diskurse und mediale Präsenz seit dem 7. Oktober 2023 mit den terroristischen Überfällen in Israel und dem in fast allen Ländern erschreckenden Anstieg von Antisemitismus finden in der Welt statt, in der die Kinder leben. Uns liegt in der Vermittlungsarbeit viel daran, unterschiedliche Perspektiven zuzulassen und sich gegenseitig respektvoll zuzuhören. In dieser und auch in anderen Fragen wie Klimaschutz oder Kinderrechte überlegen wir stets, wie die Welt nach der Flut von allen gemeinsam gut gestaltet werden kann."

3. Was glauben Sie, fasziniert junge Menschen am meisten im ANOHA? Was hören Sie als Feedback nach einem Besuch in der Kinderwelt oder nach einem Workshop?

Dr. Ane Kleine-Engel: "Wenn wir Kinder nach Workshops oder dem Besuch im Haus danach fragen, was ihnen am besten gefallen hat, kommt in der Regel die Antwort „Alles“. Besonders gut kommt an, dass die Kinder hier selbstbestimmt in ihre eigene Abenteuerwelt eintauchen können und es so viel zu entdecken gibt. Auch die „Tiere“ – im ANOHA gibt es 150 künstlerisch gestaltete upcycling-Tierskulpturen – finden großen Anklang, sei es weil man manche mit sich herumtragen und umsorgen kann, weil sie wie Elefant oder Riesenanakonda bekletterbar sind, oder weil man den Hals der Giraffe herunterrutschen kann. „Klasse“ ist auch die Wasserstrecke, bei der man die selbstgebauten Schiffe auf ihre Seetüchtigkeit hin testen kann. Und nicht zuletzt die spannende Geschichte von der Arche, die die Kinder gemeinsam mit unseren „Anohis“ lebendig werden lassen."

Zusatzfrage: Voraussichtlich 2028 wird in unmittelbarer Nachbarschaft zum Jüdischen Museum Berlin das „Exilmuseum“ am Anhalter Bahnhof fertiggestellt. Können Sie sich Kooperationen vorstellen und wenn ja, welche?

Dr. Ane Kleine-Engel: "Wir pflegen enge Kontakte zu vielen Akteuren im Kiez und der unmittelbaren Nachbarschaft. Thematisch kann ANOHA, in dem es um eine Geschichte vom Verlassen einer Welt geht, in der Krieg und Zerstörung herrschen, einer Rettung mit dem Schiff und einem Ausstieg in einer zukünftigen Welt, bei der es in unseren Händen liegt, sie von nun an gemeinsam gut zu gestalten, ja nun wirklich viele inhaltliche Anknüpfungspunkte gegeben."

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

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