Ein Dibbuk ist nach jüdischer Legende ein Totengeist, der in die Körper der Lebenden eindringt und dort irrationales Verhalten hervorruft. Das Drama “Der Dibbuk” des russisch-jüdischen Schriftstellers Salomon An-ski feierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts große Erfolge und diente Alexandra Julius Frölich nun als Vorlage für ihre künstlerische Bearbeitung, die am Deutsch-Jüdischen Theater Berlin inszeniert wurde.
Das Stück handelt von Lea, der Tochter eines reichen Rabbiners, die standesgemäß verheiratet werden soll. Der Talmudschüler Chanan, der bereits ein zartes Band zu Lea geknüpft hat, versucht die Hochzeit zu verhindern, indem er alte Zaubersprüche entschlüsseln will. Er selbst stirbt bei dem Versuch. Nicht aber seine Seele, die aufgrund seiner unerfüllten Liebe als Dibbuk in Leas Körper eindringt und damit das klassische jüdische Motiv der „Anhaftung“ dramatisch und eindrücklich in Szene setzt.
Der Titel des Stückes „Besessen!“ und die inhaltliche Beschreibung der Handlung lassen im Vorfeld exorzistische Vorstellungen im Kopf des/der Besucher*in entstehen und suggerieren eine Einteilung der Welt in Gut und Böse. Doch das vom Deutsch-Jüdischen Theater Berlin inszenierte Stück hält nach gut zwei Stunden (auch) eine andere Botschaft bereit.
Lea, die von der Schauspielerin Clara Tekampe gleich zweimal porträtiert wird – einmal in einem Dorf des 19. Jahrhunderts und einmal in einer von Polizeisirenen begleiteten Großstadt des Hier und Jetzt -, setzt sich mit dem Thema „Freiheit“ auseinander. Wie ist eine freie Entscheidung im Rahmen familiärer, kultureller und religiöser Bräuche, Riten und Vorstellungen möglich? Damals wie heute? Auf jeden Fall, so der Schluss der beiden Handlungsstränge, nicht ohne den Preis des Verlustes.
Alexandra Julius Fröhlich und Eva Maria Kölling hatten in ihren Rollen alle Hände voll zu tun. Es schien, als hätten die beiden Frauen um die vorletzte Jahrhundertwende mehr Ahnung von Schrift, Philosophie und Religion als der Rabbi und Vater von Lea (dargestellt von Joachim Kelsch) selbst. Immer wieder beantworteten sie Leas schwierige Sinnfragen mit Parabeln, Geschichten und einer Prise Alltagsgeschick. Auch sie waren es schließlich, die den Dibbuk mutig zum Rückzug überzeugten, als der Rabbi beschämt, fast weinend und vor allem unverrichteter Dinge, vom Dibbuk in den Schatten gestellt, das Weite suchte.
Aber es ging nicht nur um die zweifache Lea und ihr Schicksal, sondern auch um die wandernde Seele des unglücklich verliebten und verstorbenen Talmudschülers Chanan, dessen einziges Ziel es zu sein schien, seine Vorbestimmung als Bräutigam von Lea, doch noch zu erleben – wenn auch als Dibbuk.
Wie ein roter Faden zieht sich die Frage “Warum fällt die Seele?” durch die Erzählung. Die Antwort folgt unmittelbar im nächsten Satz – “damit sie aufsteigen kann.” Auf diese Weise zitiert das Stück ein ums andere Mal im Verlaufe des Abends den Satz: „Und das Fallen geschieht um des Aufsteigens willen“ aus dem “Zohar”, der als das bedeutendste Schriftwerk der “Kabbala” (jüdisch-mystische Tradition) gilt. Und damit erfährt auch die Vorstellung des Zuschauenden im Geiste eine neue Wendung. Die irdischen „Verfehlungen“ des Menschen werden nicht als unwiderruflich „böse“ eingestuft, sondern der letzte Zweck des Fallens liegt in seinem möglichen Aufstieg begründet.
Das Deutsch-Jüdische Theater Berlin ist dafür bekannt, einen (erinnerungspolitischen) jüdischen Dialog mitzugestalten und damit aktiv zum kulturellen Austausch beizutragen.
Ein wenig bestürzt über die fatalen inneren und äußeren Folgen, die ein unerfüllter Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung immer noch haben kann, hinterlässt die Inszenierung bei dem einen oder der anderen sicherlich den Wunsch, sich mehr mit Mystik auseinanderzusetzen und die eigenen Verhaftungen zu überdenken.
Ein Dibbuk ist nach jüdischer Legende ein Totengeist, der in die Körper der Lebenden eindringt und dort irrationales Verhalten hervorruft. Das Drama “Der Dibbuk” des russisch-jüdischen Schriftstellers Salomon An-ski feierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts große Erfolge und diente Alexandra Julius Frölich nun als Vorlage für ihre künstlerische Bearbeitung, die am Deutsch-Jüdischen Theater Berlin inszeniert wurde.
Das Stück handelt von Lea, der Tochter eines reichen Rabbiners, die standesgemäß verheiratet werden soll. Der Talmudschüler Chanan, der bereits ein zartes Band zu Lea geknüpft hat, versucht die Hochzeit zu verhindern, indem er alte Zaubersprüche entschlüsseln will. Er selbst stirbt bei dem Versuch. Nicht aber seine Seele, die aufgrund seiner unerfüllten Liebe als Dibbuk in Leas Körper eindringt und damit das klassische jüdische Motiv der „Anhaftung“ dramatisch und eindrücklich in Szene setzt.
Der Titel des Stückes „Besessen!“ und die inhaltliche Beschreibung der Handlung lassen im Vorfeld exorzistische Vorstellungen im Kopf des/der Besucher*in entstehen und suggerieren eine Einteilung der Welt in Gut und Böse. Doch das vom Deutsch-Jüdischen Theater Berlin inszenierte Stück hält nach gut zwei Stunden (auch) eine andere Botschaft bereit.
Lea, die von der Schauspielerin Clara Tekampe gleich zweimal porträtiert wird – einmal in einem Dorf des 19. Jahrhunderts und einmal in einer von Polizeisirenen begleiteten Großstadt des Hier und Jetzt -, setzt sich mit dem Thema „Freiheit“ auseinander. Wie ist eine freie Entscheidung im Rahmen familiärer, kultureller und religiöser Bräuche, Riten und Vorstellungen möglich? Damals wie heute? Auf jeden Fall, so der Schluss der beiden Handlungsstränge, nicht ohne den Preis des Verlustes.
Alexandra Julius Fröhlich und Eva Maria Kölling hatten in ihren Rollen alle Hände voll zu tun. Es schien, als hätten die beiden Frauen um die vorletzte Jahrhundertwende mehr Ahnung von Schrift, Philosophie und Religion als der Rabbi und Vater von Lea (dargestellt von Joachim Kelsch) selbst. Immer wieder beantworteten sie Leas schwierige Sinnfragen mit Parabeln, Geschichten und einer Prise Alltagsgeschick. Auch sie waren es schließlich, die den Dibbuk mutig zum Rückzug überzeugten, als der Rabbi beschämt, fast weinend und vor allem unverrichteter Dinge, vom Dibbuk in den Schatten gestellt, das Weite suchte.
Aber es ging nicht nur um die zweifache Lea und ihr Schicksal, sondern auch um die wandernde Seele des unglücklich verliebten und verstorbenen Talmudschülers Chanan, dessen einziges Ziel es zu sein schien, seine Vorbestimmung als Bräutigam von Lea, doch noch zu erleben – wenn auch als Dibbuk.
Wie ein roter Faden zieht sich die Frage “Warum fällt die Seele?” durch die Erzählung. Die Antwort folgt unmittelbar im nächsten Satz – “damit sie aufsteigen kann.” Auf diese Weise zitiert das Stück ein ums andere Mal im Verlaufe des Abends den Satz: „Und das Fallen geschieht um des Aufsteigens willen“ aus dem “Zohar”, der als das bedeutendste Schriftwerk der “Kabbala” (jüdisch-mystische Tradition) gilt. Und damit erfährt auch die Vorstellung des Zuschauenden im Geiste eine neue Wendung. Die irdischen „Verfehlungen“ des Menschen werden nicht als unwiderruflich „böse“ eingestuft, sondern der letzte Zweck des Fallens liegt in seinem möglichen Aufstieg begründet.
Das Deutsch-Jüdische Theater Berlin ist dafür bekannt, einen (erinnerungspolitischen) jüdischen Dialog mitzugestalten und damit aktiv zum kulturellen Austausch beizutragen.
Ein wenig bestürzt über die fatalen inneren und äußeren Folgen, die ein unerfüllter Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung immer noch haben kann, hinterlässt die Inszenierung bei dem einen oder der anderen sicherlich den Wunsch, sich mehr mit Mystik auseinanderzusetzen und die eigenen Verhaftungen zu überdenken.