Kultur

La Deutsche Vita – ein Abend, der nach Zugabe schreit!

Foto: © Lucia-Gauchat Schulte

La Deutsche Vita wurde am 22. Februar 2019 im Heimathafen Neukölln in Berlin uraufgeführt. Isa Baumgarten, Vorstandsvorsitzende der Heinz und Heide Dürr Stiftung, beschreibt in diesem Blogbeitrag, worum es bei der Inszenierung geht.

Wie definiert sich der Begriff Heimat in Zeiten der Globalisierung? Wo fühlt man sich eigentlich noch zu Hause, wenn sich Arbeitsbedingungen ändern, wenn die Ära der Co-Working-Spaces eingeläutet ist, wenn immer mehr Menschen Projekte mit ihren Notebooks in Cafés entwickeln, die sich überall auf der Welt irgendwie ähneln? Bedeutete Arbeit früher, auch wenn sie fremdbestimmt war, vielleicht nicht trotzdem Gemeinschaft, während neue Formen der selbstbestimmten Arbeit doch eher zur Vereinsamung führen? Diesen Fragen geht das Stück „La Deutsche Vita“ von der Autorin Hannah Schopf nach, und dies im Austausch mit dem Arbeiter- und Veteranenchor Neukölln. 

Der ist das kollektive Gewissen, an dem sich eine freischaffende Architektin abarbeitet, die keine Orte kennt, doch solche schaffen soll und daran scheitert, dass – egal ob im Kapitalismus oder im Kommunismus, egal ob in Berlin Marzahn oder an einem anderen Ende der Welt – alles schnell und möglichst günstig gehen muss. Dann sieht alles irgendwann auch gleich aus. Ihr Kreativitätsraum ist eigentlich ein Campingplatz in Italien, wo lauter Deutsche sind, die ihre rollenden Reihenhäuser mitgebracht haben. La Deutsche Vita ist überall und doch nicht zu Hause. 

Auf einer abgestuften Bühne sitzt der Chor inmitten von Erhebungen, die mit Plastikfolien abgedeckt sind und vom Menschen gestaltete Gebäudesilhouetten oder von der Natur geformte Landschaften sein könnten. Neun Frauen singen – begleitet vom Piano und einem DJ – alte und neue Arbeiterlieder aus Ost und West:

Unsre Heimat,
das sind nicht nur die Städte und Dörfer.
Unsre Heimat sind auch all die Bäume im Wald, unsre Heimat
ist das Gras auf der Wiese, das Korn auf dem Feld und die Vögel
in der Luft und die Tiere der Erde.
Und die Fische im Fluß sind die Heimat.
Und wir lieben die Heimat, die schöne…

Über eine Webkamera ist auf einer Videowand ein Zimmer eingeblendet. Dort sitzt mal der Hausmeister, mal der Lebensabschnitts-Hausmann, der alles beobachtet, kommentiert und kontrolliert. Wenn er von der Leinwand verschwindet mischt er sich ganz Menschgeworden real in das Geschehen auf der Bühne ein, sprüht Nebel, räumt auf, bringt seiner Lebensabschnittgefährtin selbstgeschmierte Brote und trennt sich von ihr, da Frau und Beruf für ihn nicht so recht zusammengehen wollen. Die Inkarnation des schlechten Gewissens schmeißt sich selbst raus. 

Horror ist, wenn Deutsche im Takt klatschen, wenn Wandergruppen aus Neukölln im Publikum sitzen. Spaß und Freude macht das allemal, auch wenn das Vorhaben der Architektin, einen kollektiven Ort mit Mischbebauung aufzubauen, von der gängigen Planungswirklichkeit überrollt wird. Am Ende bleibt ihr nur die Flucht in die Arme des kollektiven Chors, der leider keine Zugabe gibt.

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