vorne: Andreas Reith, vorne-rechts: Klaus Kokemoor
10. September 2025 Bildung

Fachforum der Familienzentren: Blackbox Medienkonsum

Digitale Medien sind ein fester Bestandteil des Alltags geworden – auch im Leben von Kindern. Die Frage, wie pädagogische Fachkräfte mit dieser Realität umgehen, ist grundlegend für die Entwicklung einer professionellen Praxis. Klaus Kokemoor, Diplom-Sozialpädagoge, Erzieher mit dem Schwerpunkt Heilpädagogik, Marte-Meo-Therapeut und Autor im Bereich Autismus-Beratung, setzt sich in seinem Buch „Blackbox Medienkonsum” intensiv mit den Auswirkungen digitaler Medien auf die kindliche Entwicklung sowie auf familiäre und pädagogische Beziehungen auseinander. Seine zentrale These lautet: Kinder brauchen keinen unbegrenzten Zugang zu Medien, sondern verlässliche Erwachsene, die ihnen durch Haltung, Begleitung und bewusst gesetzte Grenzen Orientierung bieten.

Laut Kokemoor beeinflusst Medienkonsum nicht nur das Verhalten und die Aufmerksamkeitsspanne von Kindern, sondern auch die Qualität von Interaktionen – sowohl in der Familie als auch in der pädagogischen Arbeit. Sind Erwachsene durch eigene Mediennutzung „anwesend abwesend“, verlieren Kinder wichtige Bezugspunkte. Gleichzeitig betont der Autor, dass digitale Medien auch Potenziale bergen, sofern sie altersgerecht, dosiert und in eine verlässliche Beziehungsstruktur eingebettet genutzt werden. Anhand vieler anschaulicher Beispiele macht er deutlich, dass Medienkompetenz nicht nur technisches Wissen bedeutet, sondern vor allem Beziehungsarbeit, Vorbildfunktion und gemeinsame Reflexion erfordert.

Der Early Excellence-Ansatz sieht die Beziehung zwischen Fachkraft, Kind und Familie als zentralen Ausgangspunkt pädagogischer Qualität. In diesem Kontext bedeutet ein reflektierter Umgang mit Medien einerseits, die individuellen Lebensrealitäten der Familien ernst zu nehmen, und andererseits, Impulse für bewusste Entscheidungen zu geben. Klaus Kokemoor betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer klaren und wertschätzenden Kommunikation mit Eltern und Kindern. Dieser Anspruch ist eng mit der dialogischen Grundhaltung von Early Excellence verbunden. Fachkräfte sind dabei nicht nur Beobachtende, sondern aktiv Gestaltende einer Erziehungspartnerschaft. Diese befähigt Kinder, mit digitalen Medien sinnvoll und eigenverantwortlich umzugehen.

Im Rahmen des Fachforums „Blackbox Medienkonsum“, das in Kooperation mit dem Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe e. V.) sowie den Städten Braunschweig und Salzgitter realisiert wurde, hatten rund 80 Fachkräfte, Koordinator*innen und Leitungspersonen Gelegenheit, sich intensiv mit diesen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Die Veranstaltung wurde am 13. Mai 2025 von Martin Albinus, dem Leiter des Fachgebiets Kinder, Jugend und Familie der Stadt Braunschweig, eröffnet. Ein besonderer Höhepunkt war der Impulsvortrag von Klaus Kokemoor, in dem er zentrale Inhalte seines Buches aufgriff, vertiefte und mit den Teilnehmenden diskutierte.

Nach der Mittagspause arbeiteten die Teilnehmenden in drei praxisnahen Workshops weiter. Klaus Kokemoor leitete einen Workshop für pädagogische Fachkräfte zum Thema „Medienkonsum und die Chancen im pädagogischen Alltag“. Der Fokus lag dabei auf konkreten Handlungsmöglichkeiten, wie Medienbildung nicht als technisches Zusatzthema, sondern als Teil einer ganzheitlichen Entwicklungsbegleitung in den pädagogischen Alltag integriert werden kann.

Parallel dazu leitete Felix M. Mayer, der als Koordinator und Fachberater Early Excellence in der Region Hessen und Saarland sowie als Medienberater für die Heinz und Heide Dürr Stiftung tätig ist, einen Workshop für Koordinator*innen mit dem Schwerpunkt „Instrumente & Strategien der Zusammenarbeit von Familien und Koordinator*innen“.

Im Zentrum stand die Frage, wie digitale Medien im Sinne des Early Excellence-Ansatzes gewinnbringend in die Arbeit mit Familien integriert werden können. Der Workshop „Digitalisierung: Chancen und Herausforderungen“ beschäftigte sich mit dem Einsatz digitaler Medien als unterstützendes Instrument in der pädagogischen Praxis. Dabei wurde deutlich, dass digitale Medien zahlreiche Potenziale bieten:

Kinder können eigene Perspektiven dokumentieren, frühzeitig Medienkompetenz entwickeln und durch interaktive Formate motiviert werden. Fachkräfte profitieren von effizienteren Dokumentations- und Planungsprozessen, digitaler Fortbildung und einem verbesserten kollegialen Austausch. Eltern wiederum erhalten tiefere Einblicke in den Alltag ihrer Kinder, können flexibel kommunizieren und erleben mehr Transparenz in der Zusammenarbeit. Gleichzeitig wurden auch Herausforderungen deutlich: etwa Reizüberflutung, digitale Abhängigkeit und Datenschutzfragen für Kinder, zusätzlicher technischer Aufwand für Fachkräfte sowie digitale Ungleichheit und mögliche Überforderung auf Seiten der Eltern.

Als zentrale Empfehlung galt, digitale Medien stets als Ergänzung zu realen Erfahrungen zu begreifen. Kinder sollen altersgerecht und aktiv eingebunden, Eltern niedrigschwellig mitgenommen und Datenschutzaspekte konsequent berücksichtigt werden.

Anhand von Praxisbeispielen, dem Einsatz von Kita-Apps und digitalen Projektmanagement-Tools sowie Reflexionen entlang des Ethischen Codes aus dem Early Excellence-Ansatz wurde deutlich, dass Digitalisierung dort wirksam wird, wo sie beziehungsorientiert, partizipativ und inklusiv gestaltet ist. Die abschließenden Worte des Workshops brachten die Haltung auf den Punkt:

„Nicht die Digitalisierung ist das Problem, sondern der Umgang damit.“ (Felix M. Mayer)

Claudia Dreischhoff, Leiterin des Kinder- und Familienzentrums Karlstraße in Wolfenbüttel, bot für Leitungskräfte einen Workshop zum Thema „Führen heißt: Mitten im Sturm den Kurs halten“ an. Dabei nahm sie besonders die Herausforderungen in den Blick, mit denen Leitungspersonen in Zeiten rasanter gesellschaftlicher und technologischer Veränderungen konfrontiert sind.

Andreas Reith, Koordinator und Fachberater für Early Excellence in der Region Nord, moderierte das Fachforum. Mit hoher Fachkompetenz, Feingefühl und einem strukturierten Blick auf die Anliegen der Teilnehmenden führte er durch den Tag.

Den Abschluss bildete ein gemeinsames „Come together“ mit einer Feedback-Runde aus den Workshops. Die Beiträge zeigten, wie wichtig der fachliche Austausch und die kollegiale Reflexion im Umgang mit einem so dynamischen Thema wie dem Medienkonsum sind. Deutlich wurde: Eine gute Medienerziehung braucht keine pauschalen Verbote, sondern klare Haltungen, reflektiertes Handeln und verlässliche Beziehungen.

„Es war ein Tag voller Erkenntnisse, der Mut machte, neue Wege zu gehen – und zeigte, wie viel Kraft in guter Kooperation steckt. […] Ein besonderes Highlight: der Impulsvortrag von Klaus Kokemoor, der mit viel Praxisnähe und Tiefgang zentrale Fragen zum Medienkonsum im Kindesalter aufgriff.“

(Claudia Bruszies, Stadt Braunschweig, Fachbereich Kinder, Jugend Familie)

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