Schon das Ankommen ist ungewöhnlich – ist man doch überfüllte Angebote gewohnt, wenn man mit jungen Kindern in Berlin unterwegs ist. Man merkt sofort, wie wichtig es ist, dass jede*r genügend Platz hat. Und das fängt schon bei der Garderobe an. Viele kennen das Gedränge im Kindergarten, wenn alle gleichzeitig ihre Schneeanzüge ausziehen, es unglaublich heiß ist und mit dem Lärmpegel auch die Nervosität bei Eltern und Kindern steigt. Nicht so im ANOHA. Hier gibt es genügend Schränke, Kisten, Bänke und viel Freiraum. Jede Familie hat dadurch Platz und Ruhe, um die Kinder auszuziehen, die Sachen zu verstauen und das einzupacken, was mit in die Ausstellung genommen werden soll. Durch diese positive Erfahrung wird mir bewusst, wie selten Architektur, Raumgestaltung und letztendlich oft auch das pädagogische Konzept auf die Bedürfnisse dieser Ankunftssituation eingehen und wie oft hier schon der Stresspegel auf allen Seiten steigt.
Entspannt und gut gelaunt betreten wir (zwei Mütter Mitte 40 mit ihren beiden 8-jährigen Kindern) den Ausstellungsraum. Ich bin doppelt gespannt. Denn als Mitarbeiterin der Heinz und Heide Dürr Stiftung weiß ich, dass wir das ANOHA u.a. dadurch mit unterstützt haben, indem wir dem Museum in der Planungsphase eine Early Excellence-Berater*in zur Seite gestellt haben, die aus der Perspektive der frühkindlichen Pädagogik des Early Excellence-Ansatzes an der Ausstellungskonzeption mitgewirkt hat. Ebenso neugierig war ich aber auch als Mutter eines Zweitklässlers, der sich zwar gerne und viel bewegt, aber auch zunehmend von den Aktivitäten der Kindergartenkinder abgrenzen möchte. Die Sorge, dass das ANOHA vielleicht nicht mehr altersgemäß sein könnte erwies sich schnell als unbegründet.
„In den 3,5 Stunden, die wir dort waren, gab es kein einziges Mal die Frage: Wann gehen wir endlich?“
Der gesamte Raum ist offen – auch das Bistro ist Teil des Raumes. Hier gibt es, ebenfalls ungewöhnlich, die großzügige Möglichkeit, Mitgebrachtes in Form eines Picknicks an Tischen oder auf großflächigen Stufen zu verzehren. Auch hier ist der Geräuschpegel ziemlich niedrig, obwohl sich gleich nebenan ein Bällebad und eine kleine Arena für Kissenschlachten befinden.
Im Zentrum der Ausstellung steht die Arche Noah, sehr ästhetisch und mit hochwertigen Materialien im Recyclingstil ausgestattet. Alles darf hier angefasst werden, ist robust und kein*e Mitarbeiter*in muss die Besucher*innen von irgendetwas abhalten. Die Dinge, die nicht angefasst werden dürfen, hängen einfach so hoch, dass niemand auf die Idee kommt, sie anzufassen. Dinge, die stehen bleiben sollen, sind stabil befestigt. Alles andere kann man nach Herzenslust anfassen und herumschieben. Und die Mitarbeitenden haben dadurch Zeit, Fragen zu beantworten und den Besucher*innen Hilfestellungen zu geben, statt die ganze Aufmerksamkeit in Vorsichtsmaßnahmen zu stecken, wie man es oft von Museen gewohnt ist.
Ich bin wirklich erstaunt: keine quengelnden Kinder, keine genervten Erwachsenen. Kann ein Familiensamstag wirklich so entspannt sein und wenn ja, warum läuft hier alles so konfliktfrei und reibungslos?
Vielleicht weil, Kinder entdecken, Eltern ihre Kinder dabei beobachten und dadurch zeigen, dass sie im Lernen Partner*innen sind. An vielfältigen Mitmachstationen haben die Kinder im ANOHA die Möglichkeit, ihre motorischen und kognitiven Fähigkeiten spielerisch zu entwickeln, ihre Sinne einzusetzen und ein Verständnis dafür zu entwickeln, warum Dinge so funktionieren, wie sie eben funktionieren.
Sie erleben z.B., dass ein Eimer mit Bällen irgendwann voll ist und überläuft und beginnen, die Menge zu dosieren. Kinder bekommen bei der Anwendung von „Behälter packen/füllen“ ein Verständnis von Mengen, Volumen und Aufnahmefähigkeit.
„Durch etwas hindurch“ ist ein weiteres Schema (Handlungsmuster), bei dem das Kind durch das eigene Tun und Erforschen u.a. erfährt, warum Proportionen wichtig sind, wenn man durch etwas hindurchgehen oder einen Gegenstand durch eine Öffnung stecken möchte.
Um diese und weitere Schemas geht es im Early Excellence-Ansatz bzw. in der Schematheorie. Und dabei um die Art und Weise, wie sich das Kind aktiv mit seiner Umwelt auseinandersetzt. Im ANOHA werden viele dieser in der Kleinkindpädagogik definierten Handlungsfelder nebeneinander angeboten und durch die Anwendung machen die Kinder neue Erfahrungen, die wiederum ihr Denken erweitern. Wenn man daneben sitzt, kann man das regelrecht sehen und bestaunen!
„Die Schematheorie ist eine hilfreiche Wissensgrundlage für Pädagog*innen und Eltern, die Selbstbildungsbewegungen und Handlungen des Kindes besser zu verstehen und passende pädagogische Antworten zu finden.“ (Sasha Saumweber, Heinz und Heide Dürr Stiftung)
Diese Auseinandersetzung ist sicher auch anstrengend für die Kinder, aber in erster Linie erfüllend, weil das Kind nicht überfordert wird – vor allem dann nicht, wenn die Eltern „nur“ beobachten und wenig eingreifen, sondern stattdessen unterstützend zur Seite stehen, und das Kind seine Erfahrungen machen lassen. Kaum ein Elternteil hatte an diesem Vormittag ein Handy in der Hand. Vielmehr waren alle in Bewegung, folgten dem Kind durch die Ausstellung und sorgten für Essenspausen und Kuscheleinheiten.
Da meine Freundin und ich mit Schulkindern unterwegs waren, nutzten wir auch das auditiv-digitale Angebot der Ausstellung, bei dem es darum ging, ein Team zusammenzustellen, um eine*n verlorene*n Passagier*in zu finden*). In der ganzen Arche Noah gab es über Audiogeräte verteilte und versteckte Hinweise für die Suche. Erstaunlicherweise fand mein Sohn, der sehr technikaffin ist, das Angebot gar nicht so spannend. Er war viel zu begeistert von den immer neuen Entdeckungen, die das Schiff motorisch zu bieten hatte. Das hat mich überrascht, ich hätte gedacht, dass er sich langweilen würde. Aber die Bewegungsmöglichkeiten und das freie Spiel haben immer wieder neue Impulse gegeben.
Nach ca. 3 Stunden waren eher wir Erwachsenen müde, aber auch unsere Kinder merkten, dass es Zeit war zu gehen. Auf dem Weg zum Ausgang kamen wir an einer Tür vorbei, auf der stand: Bitte leise eintreten. Shabbat!
In der Mitte des Raumes stand ein kleiner Tisch mit Symbolen des Judentums und eine freundliche Mitarbeiterin bat uns, Platz zu nehmen. Wir waren die einzigen Gäste und die Stille, die uns umgab, war sehr wohltuend. Die Kinder wurden kurz gefragt, ob sie wüssten, was die Arche Noah sei…
„Gott war stinkesauer und hat die Flut geschickt. Vorher hat er das aber dem Mädchen Noah erzählt, damit die für ihre Familie, die Gott mochte, und die Tiere ein Boot, das ist die Arche, bauen konnte.“
Besser kann man es kaum auf den Punkt bringen. Und dass ein achtjähriges Kind einem kleinen Mädchen eine so große Aufgabe zutraut, stimmte meine Freundin und mich insgeheim sehr zuversichtlich!
*) Die Auflösung, wer auf der Arche Noah fehlt, wurde auf Monitoren am Ausgang verraten. Damit sich ein Besuch auch für die Leser*innen lohnt, verraten wir die Lösung an dieser Stelle nicht – nur den Hinweis, dass es für die Kinder eine sehr wertschätzende Auflösung ist…
(Ein Erlebnisbericht von Katharina Middendorf)
Schon das Ankommen ist ungewöhnlich – ist man doch überfüllte Angebote gewohnt, wenn man mit jungen Kindern in Berlin unterwegs ist. Man merkt sofort, wie wichtig es ist, dass jede*r genügend Platz hat. Und das fängt schon bei der Garderobe an. Viele kennen das Gedränge im Kindergarten, wenn alle gleichzeitig ihre Schneeanzüge ausziehen, es unglaublich heiß ist und mit dem Lärmpegel auch die Nervosität bei Eltern und Kindern steigt. Nicht so im ANOHA. Hier gibt es genügend Schränke, Kisten, Bänke und viel Freiraum. Jede Familie hat dadurch Platz und Ruhe, um die Kinder auszuziehen, die Sachen zu verstauen und das einzupacken, was mit in die Ausstellung genommen werden soll. Durch diese positive Erfahrung wird mir bewusst, wie selten Architektur, Raumgestaltung und letztendlich oft auch das pädagogische Konzept auf die Bedürfnisse dieser Ankunftssituation eingehen und wie oft hier schon der Stresspegel auf allen Seiten steigt.
Entspannt und gut gelaunt betreten wir (zwei Mütter Mitte 40 mit ihren beiden 8-jährigen Kindern) den Ausstellungsraum. Ich bin doppelt gespannt. Denn als Mitarbeiterin der Heinz und Heide Dürr Stiftung weiß ich, dass wir das ANOHA u.a. dadurch mit unterstützt haben, indem wir dem Museum in der Planungsphase eine Early Excellence-Berater*in zur Seite gestellt haben, die aus der Perspektive der frühkindlichen Pädagogik des Early Excellence-Ansatzes an der Ausstellungskonzeption mitgewirkt hat. Ebenso neugierig war ich aber auch als Mutter eines Zweitklässlers, der sich zwar gerne und viel bewegt, aber auch zunehmend von den Aktivitäten der Kindergartenkinder abgrenzen möchte. Die Sorge, dass das ANOHA vielleicht nicht mehr altersgemäß sein könnte erwies sich schnell als unbegründet.
Der gesamte Raum ist offen – auch das Bistro ist Teil des Raumes. Hier gibt es, ebenfalls ungewöhnlich, die großzügige Möglichkeit, Mitgebrachtes in Form eines Picknicks an Tischen oder auf großflächigen Stufen zu verzehren. Auch hier ist der Geräuschpegel ziemlich niedrig, obwohl sich gleich nebenan ein Bällebad und eine kleine Arena für Kissenschlachten befinden.
Im Zentrum der Ausstellung steht die Arche Noah, sehr ästhetisch und mit hochwertigen Materialien im Recyclingstil ausgestattet. Alles darf hier angefasst werden, ist robust und kein*e Mitarbeiter*in muss die Besucher*innen von irgendetwas abhalten. Die Dinge, die nicht angefasst werden dürfen, hängen einfach so hoch, dass niemand auf die Idee kommt, sie anzufassen. Dinge, die stehen bleiben sollen, sind stabil befestigt. Alles andere kann man nach Herzenslust anfassen und herumschieben. Und die Mitarbeitenden haben dadurch Zeit, Fragen zu beantworten und den Besucher*innen Hilfestellungen zu geben, statt die ganze Aufmerksamkeit in Vorsichtsmaßnahmen zu stecken, wie man es oft von Museen gewohnt ist.
Ich bin wirklich erstaunt: keine quengelnden Kinder, keine genervten Erwachsenen. Kann ein Familiensamstag wirklich so entspannt sein und wenn ja, warum läuft hier alles so konfliktfrei und reibungslos?
Vielleicht weil, Kinder entdecken, Eltern ihre Kinder dabei beobachten und dadurch zeigen, dass sie im Lernen Partner*innen sind. An vielfältigen Mitmachstationen haben die Kinder im ANOHA die Möglichkeit, ihre motorischen und kognitiven Fähigkeiten spielerisch zu entwickeln, ihre Sinne einzusetzen und ein Verständnis dafür zu entwickeln, warum Dinge so funktionieren, wie sie eben funktionieren.
Sie erleben z.B., dass ein Eimer mit Bällen irgendwann voll ist und überläuft und beginnen, die Menge zu dosieren. Kinder bekommen bei der Anwendung von „Behälter packen/füllen“ ein Verständnis von Mengen, Volumen und Aufnahmefähigkeit.
„Durch etwas hindurch“ ist ein weiteres Schema (Handlungsmuster), bei dem das Kind durch das eigene Tun und Erforschen u.a. erfährt, warum Proportionen wichtig sind, wenn man durch etwas hindurchgehen oder einen Gegenstand durch eine Öffnung stecken möchte.
Um diese und weitere Schemas geht es im Early Excellence-Ansatz bzw. in der Schematheorie. Und dabei um die Art und Weise, wie sich das Kind aktiv mit seiner Umwelt auseinandersetzt. Im ANOHA werden viele dieser in der Kleinkindpädagogik definierten Handlungsfelder nebeneinander angeboten und durch die Anwendung machen die Kinder neue Erfahrungen, die wiederum ihr Denken erweitern. Wenn man daneben sitzt, kann man das regelrecht sehen und bestaunen!
Diese Auseinandersetzung ist sicher auch anstrengend für die Kinder, aber in erster Linie erfüllend, weil das Kind nicht überfordert wird – vor allem dann nicht, wenn die Eltern „nur“ beobachten und wenig eingreifen, sondern stattdessen unterstützend zur Seite stehen, und das Kind seine Erfahrungen machen lassen. Kaum ein Elternteil hatte an diesem Vormittag ein Handy in der Hand. Vielmehr waren alle in Bewegung, folgten dem Kind durch die Ausstellung und sorgten für Essenspausen und Kuscheleinheiten.
Da meine Freundin und ich mit Schulkindern unterwegs waren, nutzten wir auch das auditiv-digitale Angebot der Ausstellung, bei dem es darum ging, ein Team zusammenzustellen, um eine*n verlorene*n Passagier*in zu finden*). In der ganzen Arche Noah gab es über Audiogeräte verteilte und versteckte Hinweise für die Suche. Erstaunlicherweise fand mein Sohn, der sehr technikaffin ist, das Angebot gar nicht so spannend. Er war viel zu begeistert von den immer neuen Entdeckungen, die das Schiff motorisch zu bieten hatte. Das hat mich überrascht, ich hätte gedacht, dass er sich langweilen würde. Aber die Bewegungsmöglichkeiten und das freie Spiel haben immer wieder neue Impulse gegeben.
Nach ca. 3 Stunden waren eher wir Erwachsenen müde, aber auch unsere Kinder merkten, dass es Zeit war zu gehen. Auf dem Weg zum Ausgang kamen wir an einer Tür vorbei, auf der stand: Bitte leise eintreten. Shabbat!
In der Mitte des Raumes stand ein kleiner Tisch mit Symbolen des Judentums und eine freundliche Mitarbeiterin bat uns, Platz zu nehmen. Wir waren die einzigen Gäste und die Stille, die uns umgab, war sehr wohltuend. Die Kinder wurden kurz gefragt, ob sie wüssten, was die Arche Noah sei…
Besser kann man es kaum auf den Punkt bringen. Und dass ein achtjähriges Kind einem kleinen Mädchen eine so große Aufgabe zutraut, stimmte meine Freundin und mich insgeheim sehr zuversichtlich!
*) Die Auflösung, wer auf der Arche Noah fehlt, wurde auf Monitoren am Ausgang verraten. Damit sich ein Besuch auch für die Leser*innen lohnt, verraten wir die Lösung an dieser Stelle nicht – nur den Hinweis, dass es für die Kinder eine sehr wertschätzende Auflösung ist…