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Familienzentrum in der Kindertagesstätte Kopsbühl in Villingen-Schwenningen

Ein schöner aber noch kalter Samstagmorgen im Frühling. Am Eingang des Kurparks in Bad Dürrheim stehen 40 Erwachsene und hüpfen 60 Kinder umher. Die vorübergehenden Passanten wundern sich über die große Anzahl von Familien. Was hier wohl gleich los sein wird?

Das Familienzentrum der städtischen Kindertagesstätte Kopsbühl veranstaltet einen seiner Familientage und hat heute zu einer Märchenwanderung eingeladen.

Irina Schäfer, Koordinatorin des Familienzentrums und Ariane Will, stellvertretende Leiterin der Kindertagesstätte haben für die Familien einen ereignisreichen Vormittag vorbereitet. Eine Märchenwanderung auf den Spuren des Salzes wird es heute sein.  Nach der Begrüßung aller Teilnehmer*innen, und das sind in diesem Fall, wie so oft, nicht nur Kinder und Eltern, sondern auch Omas und Opas, Onkel und Tanten oder einfach Freunde der Familie, beginnt der Märchenweg. Unterwegs erzählt Ariane Will von dem großen flachen Salzmeer, das es vor vielen Millionen Jahren hier gab, wie es austrocknete und später den Menschen das Salz schenkte. Alle lauschen gespannt und bestaunen den großen Bohrer, mit dem vor 200 Jahren das erste Salz aus der Erde geholt wurde. Weiter geht es mit vielen Geschichten rund ums Salz, Rätseln, Inhalieren an der Solewand und dem Basteln einer guten Fee, die später im Park zusammen mit den Kindern viele glitzernde Edelsteine entdeckt. Auch geheimnisvolle Musik darf nicht fehlen und am Ende des Weges erzählt eine Märchenfrau die Geschichte von der Kraft des Salzes. Lachende Kinderaugen und zufriedene Erwachsene sind die Belohnung am Ende der Wanderung.

Genau das wollten Irina Schäfer und Ariane Will mit dieser Aktion erreichen und darüber hinaus haben sich viele Familien dabei besser kennengelernt. Einige Familien blieben ganz spontan noch länger im Park, verbrachten noch gemeinsame Zeit miteinander und es wurden Verabredungen für das nächste Wochenende getroffen. Auch ein anderes Ziel der Veranstalterinnen ist erreicht: Es muss nicht immer ein Besuch im Fast-Food-Restaurant oder ein teurer Eintritt im Zoo oder in einem Spieleparadies sein, um das Wochenende sinnvoll und interessant mit der Familie zu verbringen. Mit guten Tipps von der Familienzentrumskoordinatorin und ein bisschen Fantasie kann man in der näheren Umgebung ganz kostenlos viel Spaß mit seinen Kindern haben.

Der Mehrwert des Familienzentrums

Unterschiedliche pädagogische Konzepte bilden die Grundlage der pädagogischen Arbeit in den Kindertagesstätten der Stadt Villingen-Schwenningen. Die Kindertagesstätte Kopsbühl entschied sich im Jahr 2015 für das Konzept der Early Excellence-Center, da dies die schon bisher geleistete pädagogische Arbeit der Einrichtung am besten widerspiegelte. Gleichzeitig bewarb sich die Einrichtung darum, Piloteinrichtung für die Weiterentwicklung von der KiTa zum Familienzentrum in Villingen-Schwenningen zu werden. Für die Rahmenplanung wurde Katja Saumweber von der Heinz und Heide Dürr Stiftung gewonnen. Sie begleitete die am Pilotprojekt teilnehmenden Einrichtungen bei der Zielentwicklung und der Diskussion um die Frage nach dem Mehrwert von Familienzentren. 

Dabei war es den Teilnehmer*innen wichtig herauszustellen, dass sich Familienzentren als Sprachrohr der Familien mit all ihren Belangen verstehen und diese Belange in den sozialen und politischen Raum tragen. Sie übernehmen Aufgaben, die über das übliche Aufgabenspektrum einer Kindertagesstätte hinausgehen und sichern damit die Teilhabe und Inklusion der beteiligten Familien in ihrem Alltag und Lebensumfeld. 

Aus den Arbeitsergebnissen resultierte eine Konzeption für die Einrichtung und nach der Pilotphase die Sicherung einer Ganztagsstelle der Familienzentrumskoordinatorin im Amt für Jugend, Bildung, Integration und Sport, die sich vor Ort um alle Belange der Familien kümmert. 

Dies sind natürlich nicht nur ereignisreiche Ausflüge, sondern in erster Linie die Begleitung und Betreuung der Familien in allen Belangen des Alltags mit Kindern, Hilfe bei Behördengängen oder Vermittlung von Beratungsangeboten. Zum Beispiel baut das Familienzentrum Brücken zur Schuldnerberatung und bietet offene Sprechstunden für Erziehungs- bzw. Familienberatung an. Hiervon profitieren vor allem auch Familien in besonderen Lebenslagen wie Alleinerziehende oder Familien mit Migrationshintergrund. Die Mitarbeiter helfen Eltern bei Alltagskonflikten und machen diese Hilfe unmittelbar und ohne Hemmschwellen zugänglich. Begegnung wird gefördert und Eigenkräfte aktiviert, so dass Eltern ihre Ressourcen einbringen können und in ihren Erziehungskompetenzen gestärkt werden. Die Mitarbeiter kennen die Bedarfe der Familien, können flexibel darauf reagieren und so die passenden Dienstleistungen und Unterstützungsleistungen anbieten. 

Darüber hinaus zeigt sich der Mehrwert im Familienzentrum der Kindertagesstätte Kopsbühl in einer gut ausgestatteten und gut besuchten Kleiderkammer, der sogenannten Kleiderschatzinsel, die von Müttern organisiert wird und zweimal in der Woche geöffnet hat. In der Kleiderschatzinsel gibt es sehr gut erhaltene Kleidung und Schuhe für alle Altersgruppen, Spielzeug, Bücher, Schulranzen, Kinderwägen und vieles mehr, was Familien gebrauchen können.

Auch der Sprachtreff `Deutsch lernen mit Eltern für Eltern´ wird rege genutzt und von zwei Müttern mit Hilfe von der Familienzentrumskoordinatorin Irina Schäfer organisiert. Der Sprachtreff ist ein niederschwelliges Angebot für Familien mit Migrationshintergrund, um sich in entspanntem Rahmen der deutschen Sprache anzunähern und erste Sprachversuche zu machen. Bereits bei der Anmeldung der Kinder in der KiTa werden die Eltern über dieses Angebot informiert und dazu eingeladen. Der Sprachtreff ist kostenfrei, findet einmal in der Woche statt und richtet sich an alle erwachsenen Familienmitglieder. So finden in der Regel Mütter, Tanten und Großmütter ein offenes Ohr für ihre Fragen und können mit Unterstützung die eine oder andere sprachliche Alltagshürde nehmen. 

Die sogenannten Familienwochen, bei denen Eltern beim Basteln, Schneidern, Kochen und Backen, Ausflügen, Tanzen, Entspannungs- oder Sportübungen oder anderen Dingen, die sie besonders gut beherrschen und weiter vermitteln möchten, zusammenkommen, finden zweimal im Jahr statt und erfreuen sich großer Beliebtheit. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Familienforen zu unterschiedlichen pädagogischen Themen, die Möglichkeit, gemeinsam zu gärtnern und Gemüse für den täglichen Bedarf anzubauen oder sich am `Tag der Nachbarschaft´ mit den Bewohner*innen des Stadtteils bei einem gemütlichen und informativen (Kaffee) Nachmittag zu treffen. Kinderbetreuung bei Angeboten für Erwachsene sowie die Vermietung der Räumlichkeiten für Familienfeiern runden das Angebot des Familienzentrums ab. 

Zu Beginn des Kindergartenjahres werden alle Familien ganz besonders und individuell von Irina Schäfer begrüßt und in den ersten Tagen betreut, sodass nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen gut Fuß fassen in der Einrichtung und sich als ein Teil des Familienzentrums empfinden können.

Dass die Familien die Arbeit des Familienzentrums sehr schätzen, zeigt sich an vielen begeisterten Rückmeldungen und immer wieder an der regen Teilnahme an den Angeboten. So waren zum Kürbisfest an einem Freitagnachmittag im Oktober über 90 Personen angemeldet und es wurden viele Kürbislaternen geschnitzt, Kürbissuppe für alle gekocht und zum Abschluss mit allen gemeinsam gegessen.

Für die Zukunft plant Irina Schäfer eine regelmäßige Beratung zu den Leistungen des Bildungspaketes, da viele Familien die für sie gedachten Unterstützungen gar nicht kennen oder nicht abrufen. In den Anfängen steht die Überlegung, wie ein Netzwerk geschaffen werden kann, das arbeitsuchende Eltern und Arbeitnehmer, die auf der Suche nach Arbeitskräften sind, zusammenbringen kann.

Und natürlich freuen sich schon alle auf die nächste Familienwoche am Ende des Jahres, die wieder eine breite Palette an interessanten Angeboten für Kinder und Erwachsene bieten wird.

Wir sind froh, uns auf diesen spannenden und ereignisreichen Weg von der KiTa zum Familienzentrum gemacht zu haben und können uns eine andere Art der Zusammenarbeit mit den Familien ganz im Sinne und zum Wohl der Kinder heute gar nicht mehr vorstellen.

Ariane Will für das Familienzentrum in der Kindertagesstätte Kopsbühl, Villingen-Schwenningen