Neben den zahlreichen Premieren der großen Berliner Theater zu dieser Jahreszeit feiert auch das Theater unterm Dach mit dem dokumentarischen Krimi "Der Uteruskomplex – Ein Schauprozess" von Marie Sophie Rautenberg über den Memminger Prozess von 1988 bis 1989 Premiere.
Das Stück von Marie Sophie Rautenberg behandelt eine nach wie vor aktuelle Debatte über Schwangerschaftsabbrüche. Es thematisiert den Memminger Prozess von 1988 bis 1989, in dem der ehemalige Gynäkologe Dr. Horst Theissen angeklagt wurde. Gegen ihn wurde wegen des Verdachts auf illegalen Schwangerschaftsabbruch in mehreren Fällen ermittelt.
Der Text basiert auf Interviews mit Menschen, die direkt oder indirekt vom „Memminger Prozess“ betroffen waren. Im Zentrum stehen die Erzählungen von Frauen, die vor Gericht über ihre Abbrüche aussagen mussten, sowie von Frauen, die heute in Deutschland Abbrüche durchlebten.
In den späten 1980er Jahren löste der Prozess eine bundesweit geführte Debatte über die Rechtmäßigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen aus. Im Hintergrund des Prozesses stand der umstrittene Paragraf 218 StGB von 1976, der eine Indikationslösung für Schwangerschaftsabbrüche festlegte. Diese wurde 1980 in Bayern noch einmal verschärft. Demnach mussten schwangere Frauen bei verschiedenen Stellen zur Indikationsstellung und Beratung vorstellig werden. Anschließend sollte der Abbruch in einer vorgesehenen Klinik stattfinden, in der sich die Frau noch drei Tage aufhalten musste. Doch faktisch gab es in Bayern nur wenige Kliniken, die Abbrüche durchführen konnten oder wollten, sodass betroffene Frauen unter Druck gerieten.
Um Frauen in dieser Situation zu helfen, führte Dr. Theissen Abbrüche ambulant in seiner Praxis durch. Als er wegen Steuerhinterziehung angezeigt wurde, erhielt das Finanzamt auch Einsicht in die Akten der Schwangerschaftsabbrüche. Das führte 1988 zu einem weiteren Verfahren gegen Dr. Theissen wegen illegaler Schwangerschaftsabbrüche.
Zusammen mit Dr. Theissen wurden 159 Frauen vor Gericht geladen. Davon wurden 79 öffentlich zu intimsten Einzelheiten ihres Privatlebens befragt. Dabei wurden sie mehrfach auf eine Adoption als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch hingewiesen. Diese Art der Verfahrensführung und der Zeug*innenvernehmung gab Anlass zu Zweifeln an der Neutralität der Strafkammer. Der Prozess wurde deshalb auch als moderner Hexenprozess und Schauprozes“ bezeichnet.
Nach einer Revision im Jahr 1989 wurde Dr. Horst Theissen zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Das zunächst verhängte Berufsverbot wurde zurückgenommen.
Die Regie des Theaterstücks führt Friederike Förster, Regieassistenz: Caya Freyja Krakor. Mitwirkende Schauspieler*nnen sind Franziska Kleinert, Bibiana Malay, Marie Sophie Rautenberg und Annalena Steiner.