9. August 2019 | Kultur | Impulsgespräche

Olaf Löschke

Olaf Löschke, Vorsitzender des Historikerlabor e.V., erläutert im Interview, warum es auch innovativer Theaterformate bedarf, um die Vergangenheit zu vergegenwärtigen.

HHD Stiftung: Wie kamen Sie darauf, Historiker anstatt ausgebildeter Schauspieler Dokumentartheater-Stücke spielen zu lassen?

Olaf Löschke: Die Grundidee, Expertinnen und Experten des Alltags aus ihrem Arbeitsgebiet forschen und spielen zu lassen, war als Experiment einer neuen Form der Geschichtsvermittlung gedacht. Dem Publikum sollte es ermöglicht werden, mittels einer „Quellenkritik live“ einem transparenten Forschungsprozess folgen zu können. Im Gegensatz zu Schauspieler*innen sind Historikerinnen und Historiker in der Lage, historische Ereignisse, Biografien und Quellen kritisch zu verorten und ohne Emotionalisierung und Fiktionalisierung, in nüchterner Sprache vor einem Publikum vorzutragen. So, als würden sie einen Vortrag auf einer Tagung halten. Doch die Grenzen zwischen Vortrag und Performanz sind hier fließend.

HHD Stiftung: Welchen Herausforderungen begegnen Sie am häufigsten, wenn Sie Vergangenes in der Gegenwart darstellen möchten?

Olaf Löschke: Das Handeln und Wirken historischer Akteure im Kontext ihres historischen Referenzrahmens vorzustellen geht einher mit einer besonderen Verantwortung, dies ohne Wertung und vorurteilsfrei vorzunehmen. Hier liegt eine große Herausforderung, denn auch als Wissenschaftler*in hat man eine Haltung dem Forschungssubjekt gegenüber. Gleichwohl stellt sich die Frage, inwieweit man das Publikum mit extremen, mitunter unbekannten Quellenaussagen konfrontieren kann. Reibungspunkte zwischen Wissenschaft und Kunst entstehen stets während der Stückentwicklung. In diesem kreativen Spannungsfeld entstehen Stücktexte, Dramaturgie und Inszenierung.

HHD Stiftung: Welcher historischen Figur würden Sie gerne drei Fragen stellen? Und welche würden Sie stellen?

Olaf Löschke: 3 Fragen an Raphael Lemkin (1900-1959), Jurist und Völkerrechtler.
Frage 1: Herr Lemkin, Sie prägten den Begriff des „Genozids“ und gelten als „Vater“ der UN- Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermords, die 1951 in Kraft trat. Wie bewerten Sie die Tatsache, dass der internationale Strafgerichtshof in Den Haag erst im Jahr 2002 seine Arbeit aufgenommen hat?
Frage 2: Sieht man kritisch auf die Prozesse zu den Genoziden in Ruanda und im ehemaligen Jugoslawien, denken Sie, dass es bis heute eine Weiterentwicklung des Völkerrechts gegeben hat?
Frage 3: Gestatten Sie eine persönliche Frage. Obwohl Sie internationale Lehraufträge und verschiedene Auszeichnungen erhielten, sogar zweimal für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurden, starben Sie verarmt in New York. Was ist geschehen?

Vielen Dank für das Gespräch.