Anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Heinz und Heide Dürr Stiftung spricht Heinz Dürr im Interview über die Aufgabe von Stiftungen und deren Entwicklung.
HHD Stiftung: Warum haben Sie und Ihre Frau die Heinz und Heide Dürr Stiftung gegründet?
Heinz Dürr: Heide und ich sind immer davon ausgegangen, dass es besser ist, ein kleines Licht zu entzünden, als über die Dunkelheit zu klagen. Dieses bekannte Zitat von Konfuzius ist unser Motor für alles, was wir tun. Und weil wir durch unser Leben und unseren Werdegang viel Erfahrung damit haben, welche Lichter wann, wie und wo angezündet werden sollten, haben wir die Stiftung ins Leben gerufen. Es ist doch so, dass der Staat in unserer Gesellschaft nicht alle Lücken füllen kann. Darüber kann man lamentieren oder einfach hinwegsehen! Doch sinnvoller ist doch, sich zu fragen, wie man diese Lücken schließen kann. Das macht die Stiftung im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Wir sind also Nischenförderer! Da wo der Staat nicht zupackt, da gehen wir hin.
HHD Stiftung: Wie haben Sie die Stiftung aufgestellt, so dass sie einige dieser Lücken füllen konnte und kann?
Heinz Dürr: Zunächst haben wir uns Gedanken gemacht, wo diese Lücken am eklatantesten sind. Und dann haben wir geschaut, wo es mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, einen Unterschied macht, denn wir sind ja eine recht kleine, allenfalls eine mittelgroße Stiftung.
Uns war beiden sofort klar, dass im Bereich der frühkindlichen Bildung besonders große Defizite zu verzeichnen sind, vor allem dort, wo es um die Einbeziehung von Eltern in den frühen Bildungsprozess der Kinder zwischen 3 und 6 Jahren geht. Und wie der Zufall oder das Schicksal es wollte, lernten wir genau zu diesem Zeitpunkt Annette Lepenies kennen, die uns von Early Excellence, einem Ansatz aus England berichtete, der dort sehr erfolgreich war. So war schnell die erste, wichtigste Nischenförderung der Stiftung unter Dach und Fach. Mittlerweile arbeitet in der Stiftung ein eigenes Expertenteam an der bundesweiten Verbreitung von Early Excellence durch Schulungen und Weiterbildungen an Einrichtungen und Institutionen.
Etwas persönlicher hat sich unser Förderungsschwerpunkt in der Kultur ergeben: Es ist seit jeher das Hobby meiner Frau und mir, ins Theater zu gehen – sogar schon lange bevor wir uns kannten. Nicht nur da haben wir etwas gemeinsam. Im Theater fiel uns auf, dass, obwohl die Kulturlandschaft viel Förderung erhält, die Theaterautor*innen in ihrem Kreativprozess oft außen vor bleiben. Das birgt die Gefahr, dass mutige Stücke gar nicht erst entstehen können. So haben wir kurzerhand den Bereich der Autor*innenförderung zu unserem Thema gemacht. Und das läuft jetzt auch schon seit 20 Jahren, denn Theater ist permanente Arbeit an der Gesellschaft.
Auch mein berufliches Umfeld und mein Werdegang haben mir immer wieder unbeachtete Nischen vor Augen geführt. Dass auch in der Wirtschaft Lücken aufklaffen, konnte ich bereits während meiner frühen Zeit bei der Dürr AG beobachten, als es noch um den Aufbau der Firma ging, die jetzt als Weltmarktführer die Stiftung über ihre Dividendenausschüttungen finanziert. Heute fallen darunter Themen wie die ethische Dimension der Digitalisierung oder aber die Energieeffizienz in der Produktion. In diesem Bereich wurde beispielsweise mit unserer Unterstützung ein Institut gegründet, das die Wirtschaft und die Politik für diese wichtige Säule der Energiewende sensibilisieren soll.
Man kann rückblickend sagen, dass sich die Förderbereiche der Stiftung „Kultur“, „Bildung“ und „Forschung“ aus dem Erfahrungs- und Interessensfeld von Heide und mir herauskristallisiert haben. Wir sind stolz darauf, dass die Stiftung Pionierprojekte mit einer langfristigen und zukunftsorientierten Perspektive unterstützt. Wir fördern gerne, freuen uns über die Ergebnisse und sind mit unseren Projektpartner*innen verbunden.
HHD Stiftung: Was würden Sie sagen macht die Heinz und Heide Dürr Stiftung besonders?
Heinz Dürr: Wir wollen gar nichts besonders sein! Wir wollen, wie andere Stiftungen auch, in Nischen springen. Das ist uns eine Herzensaufgabe. Deswegen sind wir auch persönlich in unsere Förderungen involviert und geben nicht nur Geld, sondern sind da selber schon mit dabei, z.B. ich als Beiratsvorsitzender des Instituts für Energieeffizienz. So wie die Dürr AG nach wie vor ein Familienunternehmen ist, ist die Heinz und Heide Dürr Stiftung eben auch familiär geprägt.
Ein klein wenig besonders ist vielleicht, dass wir bei Early Excellence seit Jahren operativ tätig sind – das gibt es innerhalb von Stiftungen nicht so oft. Uns ist die Nachhaltigkeit von Förderungen ein Anliegen, dass sich etwas entwickelt und wächst und aus sich heraus Weiteres anschiebt, also Impulse gibt. Und das geht nur mit engagierten Menschen.
Übrigens gilt, auch wenn meine Frau dem widersprechen würde: Wenn ein Schwabe Geld gibt, ist das immer eine Herzensangelegenheit!.
HHD Stiftung: Was sollte sich in der Stiftungswelt in den nächsten Jahren verändern und was so bleiben?
Heinz Dürr: Wichtig ist, dass Stiftungen am Ball bleiben und nachhaltig - also nicht nur Projekte, sondern Programme - fördern. Stiftungen wollen durch ihre Aktivitäten andere begeistern, alles Dinge die der Staat nur bedingt leisten kann oder will. Gerade deswegen ist eine gute Vernetzung in die Politik wichtig. Ich umschreibe das gerne mit folgendem Bild: Drei Kreise stehen für Politik, Wirtschaft und Kultur. Sie müssen so angeordnet sein, dass sie sich in der Mitte überschneiden. Ist diese Schnittmenge groß, dann funktioniert die Gesellschaft. Die Kultur gibt die Werte vor, an denen sich eine Gesellschaft ausrichtet. Stiftungen transportieren mit ihren Zwecken Werte. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Verzahnung der Bereiche noch größer wird.
HHD Stiftung: Glauben Sie, dass in Ihrer Stiftung neue Förderzwecke hinzukommen? Und wenn ja, welche wären denkbar?
Heinz Dürr: Vor 20 Jahren haben wir uns entschieden, unser Engagement breitgefächert in der Stiftung zu verankern. Aus diesem Grund waren wir von Anfang an gut abgedeckt Deshalb werden unsere Förderzwecke bleiben, die Schwerpunkt können sich jedoch verändern. Man muss mit dem Puls der Zeit gehen. Vor zwanzig Jahren war z.B. das digitale Zeitalter noch in seinen Kinderschuhen und Künstliche Intelligenz gab es nur in der Science-Fiction. Erst kürzlich haben wir dieses Thema mit dem Fokus auf die ethische Dimension in unsere Forschungsschwerpunkte aufgenommen. Und wer weiß, ob es das Theater, so wie wir es kennen, in hundert Jahren überhaupt noch gibt. Sicher ist, wir werden beweglich bleiben, Veränderungen kritisch beobachten und innerhalb der Förderzwecke reagieren.
HHD Stiftung: Haben Sie alles, was Sie im Sinne hatten zu fördern, schon gefördert oder können Sie uns ein „Geheim-Projekt“ verraten, dass Sie in nächster Zeit anstoßen möchten?
Heinz Dürr: Geheim-Projekte verrate ich grundsätzlich nicht. Ich war seit jeher ein sehr umtriebiger Mensch, der sich gerne engagiert und Visionen in die Tat umsetzt. Aus diesem Grund habe ich viele Ideen. Wichtig ist, dass unsere Projekte wirksam sind und auf den Grundlagen der Lehren aus der Vergangenheit in die Zukunft weisen. Oder wie der Philosoph Odo Marquard sagte: Zukunft braucht Herkunft. Und unter uns: ein paar „Geheim-Projekte“ habe ich schon im Keller.
Vielen Dank für das Gespräch.