1. Oktober 2025 Kultur Forschung

37 Grad Doku: Gegen das Vergessen

Ein einzigartiges Projekt, das Schule machen sollte.

Regisseurin Janina Heckmann

In Deutschland leben schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzdiagnose. Im öffentlichen Leben kommen ihre Perspektiven jedoch kaum vor. Das Theaterprojekt Papillons möchte das ändern und ist damit mehr als eine Beschäftigungstherapie für Pflegebedürftige. Die 37 Grad Doku (ZDF) hat das Projekt auf eindrückliche Weise filmisch begleitet.

Seit 2016 spielen im Berliner Pflegewohnheim „Am Kreuzberg“ des Unionhilfswerks Menschen mit Demenz und Menschen ohne Demenz zusammen Theater. Das Theaterensemble Papillons holt damit Erinnerungen zurück, schafft Gemeinschaft und setzt gleichwohl dramaturgische Massstäbe, indem neue Darstellungsformen erprobt werden, die bisher als nicht realisierbar galten. Christine Vogt ist die künstlerische Leiterin des Ensembles und hat dieses Projekt zusammen mit dem Unionhilfswerk vor fast 10 Jahren ins Leben gerufen.

Mit dem Stück „Totenwache“ hat das Ensemble auch in 2025 gezeigt, was Theater mit zum Teil an Demenz erkrankten Akteur*innen in einem Pflegewohnheim hervorbringen kann. Begleitet wurden die Proben und die sechs ausverkauften Aufführungen von Thomas Rosenberg und Janina Heckmann, die für 37 Grad (ZDF) die Dokumentation „Gegen das Vergessen – mit Demenz auf der Bühne“ realisiert haben.

Da Alter, Krankheit und Tod Themen sind, die am Rande des gesellschaftlichen Interesses existieren, haben die Filmemacher*innen zunächst auf eigene Initiative gehandelt. Ihr Ziel war es, durch filmische Einblicke in Eigenregie die Vorstellungskraft der Sender so zu aktivieren, dass diese die Zartheit und Kraft dieses einzigartigen Ensembles erkennen und die Dokumentation professionell für ein großes Publikum umsetzen würden. Durch dieses Engagement  des langen Atems ebenso wie durch die Strahlkraft der Papillons konnte die Dokumentation schließlich am 23.09.2025 sowohl im Pflegewohnheim "Am Kreuzberg" mit vielen anwesenden Akteur*innen als auch später am Abend im ZDF Premiere feiern. Ein Zeitpunkt, der mit der Woche der Demenz zusammenfiel, die in diesem Jahr vom 19. bis zum 28. September unter dem Motto: „Demenz – Mensch sein und bleiben“ stattfand.

In der Dokumentation wird deutlich, wie wichtig Nähe, Sinn und Verbindung für alle Beteiligten sind: für die Akteur*innen selbst, für die Angehörigen und für die Kinder, die aus eigenem Antrieb Teil der Theaterarbeit sein möchten. Generationsübergreifend ist hier kein leeres Konzept, sondern eine gelebte große Geste.

Das große Medienecho auf der Webseite der Papillons (u. a. Radioeins, SZ-Magazin) zeigt, dass Themen, über die viele Menschen nicht nachdenken möchten, eine gesellschaftliche Relevanz und Dringlichkeit haben, die es zu unterstützen gilt. 

Dass der Spielort kein Berliner Theater, sondern ein Pflegeheim ist, veranschaulichen die Worte von Heinz Dürr auf besondere Weise:

Theater ist ein Stück Arbeit an der Gesellschaft. Es sollte gesellschaftliche Auseinandersetzungen aufgreifen und beleuchten, was mit uns Menschen passiert. 

So setzt sich die Heinz und Heide Dürr Stiftung z.B. in Kooperation mit der NCL-Stiftung für den Forschungsnachwuchs im Bereich der juvenilen Demenz ein, um eine Zukunft ohne Kinderdemenz zu ermöglichen und zieht durch die Förderung der Papillons eine Verbindung zwischen der Neurogenetik und dem deutschen Theater.

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