HÄUSER-FLUCHTEN ist ein Stationentheater mit Interventionen an Originalschauplätzen des Lebens von NS-Verfolgten im Berliner Scheunenviertel und in der Spandauer Vorstadt. Damit gehen die spreeagenten einen lebendigen Weg, Geschichte aktuell erlebbar zu machen. HÄUSER-FLUCHTEN nimmt im Rahmen der Dokumentartheaterförderung einen ähnlichen "menschlichen" Zugang zu historischem Material ein wie andere von der Heinz und Heide Dürr Stiftung in diesem Rahmen geförderte Projekte. Das Besondere ist die Interaktion mit dem Publikum, das in die Inszenierung regelrecht "hineingezogen" wird.
"Geschichte, die immer wieder in die Gegenwart einbricht. (...) Die große Geschichte ist bekannt. Dahinter verbergen sich viele kleine und vergessene Geschichten. Die Schauspieler Richard Gonlag Jelena Bosanac und Željko Marović und die Musikerin Munsha holen das Vergessene an Originalschauplätzen hervor. Selten erlebt man Geschichte so eindringlich am Ort des Geschehens." (Deutschlandfunk Kultur, Thomas Klug)
HÄUSER-FLUCHTEN holt in szenischen Schlaglichtern die Lebensgeschichten von NS-Verfolgten aus der Vergangenheit in die Gegenwart des Berliner Alltags. Die Route des Stationentheaters umfasst verschiedene Spielstationen, an denen das Ensemble, bestehend aus drei Schauspieler*innen und einer Musikerin, die vergangene Geschichte der Gebäude und ihrer Bewohner*innen an die Oberfläche bringt. Vor Häusern, in Hauseingängen, Höfen und aus Fenstern erklingen die Stimmen von Widerstandskämpfer*innen und politisch Verfolgten, von Menschen, die im Untergrund ihr Überleben suchten, von Unangepassten und Unerwünschten. Das Publikum sucht sich seinen eigenen Weg zu den einzelnen Stationen, an denen Geschichte performativ und musikalisch lebendig wird, trennt sich, findet wieder zusammen und wird dabei von den Stimmen und Klängen einer Tonspur begleitet. Längst vergangene und vergessene Ereignisse nehmen unmittelbar Raum im Hier und Jetzt ein. Mit Jelena Bosanac, Richard Gonlag, Željko Marović, Daniela Lunelli aka Munsha (Live Musik).
Konzept, Regie, Text: Susanne Chrudina
Musikalische Leitung, Komposition: Daniela Lunelli aka Munsha
Ausstattung: Stefan Oppenländer
Isa Baumgarten, Vorstandsvorsitzende der Heinz und Heide Dürr Stiftung, und Mireille Kreklow, Assistentin der Geschäftsführung, begaben sich mit den spreeagenten auf eine Zeitreise durch das Scheunenviertel in Berlin Mitte und schilderten ihre Erlebnisse:
"Ein regnerischer Tag und ein kalter Abend. Das war die Dramaturgie des Augenblicks. Wir gehen durch die Straßen Berlins, in denen Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus so viel Leid erfahren haben. Hier lebten Familien, die plötzlich verschwanden oder sich verstecken mussten. Menschen mit jüdischen Wurzeln, Homosexuelle, deren Leben uns hautnah erzählt wird. An verschiedenen Stationen, zu denen wir laufen, schlüpfen Schauspieler*innen in verschiedene Rollen. Zwischendurch werden wir über Podcasts mit der Geschichte der Straßen und ihrer Bewohner*innen vertraut gemacht. Früher muss hier viel mehr los gewesen sein: Handwerker neben Bordellen und Kirchen. Viele Kneipen, die es heute nicht mehr gibt.
Am Treffpunkt in der Nähe der Berliner Volksbühne hört der Regen plötzlich auf. Es ist grau. Die Stimmung passt irgendwie zu dem, was dann passiert. Künstlerinnen werden verfolgt, weil sie anders denken. Auf einem nahe gelegenen Schulhof treffen wir Kinder von damals, sehen Menschen, die sich hinter Vorhängen verstecken, die ihr Leben verbergen, weil die Nazis es nicht zulassen. Vor einem Haus werden die Namen derer gerufen, die von dort deportiert wurden. In den Häusern gehen die Lichter aus. Passanten fragen sich, was das für eine Demonstration ist. Etwa 40 Menschen laufen durch ein Berlin der Vergangenheit. „Schon wieder Touristen“, denken manche, Berliner Zeitreisende, wissen wir. In der Sophienkirche wird uns die schreckliche Vergangenheit gepredigt, Koffer stehen vor dem Eingang und verschwinden mit ihren Besitzern in der Häuserflucht, ohne ein Zurück. Hinter den spreeagenten verbirgt sich eine Gruppe von Künstler*innen, die über Recherchen tief in die Geschichte eintauchen und das Publikum daran teilhaben lassen. Geschichte wird erlebbar, und wir waren dabei, am Ende ein bisschen durchgefroren, aber ganz vertieft".