In diesem Interview, anlässlich des 20-jährigen Jubiläums, berichtete das Stifter-Paar Heide und Heinz Dürr aus dem "Stiftungsnähkästchen": Insbesondere welche Impulse sie antrieben, die Stiftung zu gründen. Ein Gespräch über Engagement, Lücken in der Gesellschaft und kleine Gesten mit großer Wirkung. Schauen Sie gemeinsam mit Heide und Heinz Dürr zurück auf über 20 Jahre Impulse für die Gesellschaft...

1. Welche Impulse gab es für Sie, die Stiftung zu gründen?

Heide Dürr: "Mein Mann und ich haben eine Stiftung ins Leben gerufen, weil wir der Überzeugung sind, dass die, die einen gewissen Wohlstand erreicht haben, der Gesellschaft etwas zurückgeben sollten. Mit dem Geld, das wir zur Verfügung stellten, wollten wir zunächst einmal kleine Impulse geben. Denn, wie ein chinesisches Sprichwort sagt: Es ist besser ein kleines Licht anzuzünden, als über Dunkelheit zu klagen. Dazu kommt, dass privates Engagement eine Frage der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft ist. Ich möchte sogar noch weiter gehen: Eine Gesellschaft funktioniert nur dann, wenn sich jeder einzelne seiner Verantwortung bewusst ist und sie auch übernimmt. Dies war 1998 unser Grundmotiv für die Gründung der Stiftung."

Heinz Dürr: "Außerdem ist es doch so, dass der Staat in unserer Gesellschaft nicht alle Lücken füllen kann. Darüber kann man lamentieren oder einfach hinwegsehen! Doch sinnvoller ist doch, sich zu fragen, wie man diese Lücken schließen kann. Das macht die Stiftung im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Wir sind also Nischenförderer! Da wo der Staat nicht zupackt, da gehen wir hin."

2. Wie haben Sie die Stiftung aufgestellt, so dass Sie einige dieser Lücken füllen konnte und kann?

Heinz Dürr: "Zunächst haben wir uns Gedanken gemacht, wo diese Lücken am eklatantesten sind. Und dann haben wir geschaut, wo es mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, einen Unterschied macht, denn wir sind ja eine recht kleine, allenfalls eine mittelgroße Stiftung."

Heide Dürr: "Uns war beiden sofort klar, dass im Bereich der frühkindlichen Bildung besonders große Defizite zu verzeichnen sind, vor allem dort, wo es um die Einbeziehung von Eltern in den frühen Bildungsprozess der Kinder zwischen 3 und 6 Jahren geht. Und wie der Zufall oder das Schicksal es wollte, lernten wir genau zu diesem Zeitpunkt Annette Lepenies kennen, die uns von Early Excellence, einem Ansatz aus England berichtete, der dort sehr erfolgreich war. So war schnell die erste, wichtigste Nischenförderung der Stiftung unter Dach und Fach. Mittlerweile arbeitet in der Stiftung ein eigenes Expertenteam an der bundesweiten Verbreitung von Early Excellence durch Schulungen und Weiterbildungen an Einrichtungen und Institutionen."

Heinz Dürr: "Etwas persönlicher hat sich unser Förderungsschwerpunkt in der Kultur ergeben: Es ist seit jeher das Hobby meiner Frau und mir, ins Theater zu gehen – sogar schon lange bevor wir uns kannten. Nicht nur da haben wir etwas gemeinsam. Im Theater fiel uns auf, dass, obwohl die Kulturlandschaft viel Förderung erhält, die Theaterautor*innen in ihrem Kreativprozess oft außen vor bleiben. Das birgt die Gefahr, dass mutige Stücke gar nicht erst entstehen können. So haben wir kurzerhand den Bereich der Autor*innenförderung zu unserem Thema gemacht. Und das läuft jetzt auch schon seit 20 Jahren, denn Theater ist permanente Arbeit an der Gesellschaft. Auch mein berufliches Umfeld und mein Werdegang haben mir immer wieder unbeachtete Nischen vor Augen geführt. Dass auch in der Wirtschaft Lücken aufklaffen, konnte ich bereits während meiner frühen Zeit bei der Dürr AG beobachten, als es noch um den Aufbau der Firma ging, die jetzt als Weltmarktführer die Stiftung über ihre Dividendenausschüttungen finanziert. Heute fallen darunter Themen wie die ethische Dimension der Digitalisierung oder aber die Energieeffizienz in der Produktion. In diesem Bereich wurde beispielsweise mit unserer Unterstützung ein Institut gegründet, das die Wirtschaft und die Politik für diese wichtige Säule der Energiewende sensibilisieren soll."

Heide Dürr: "Man kann rückblickend sagen, dass sich die Förderbereiche der Stiftung „Kultur“, „Bildung“ und „Forschung“ aus dem Erfahrungs- und Interessensfeld von Heinz und mir herauskristallisiert haben. Wir sind stolz darauf, dass die Stiftung Pionierprojekte mit einer langfristigen und zukunftsorientierten Perspektive unterstützt. Wir fördern gerne, freuen uns über die Ergebnisse und sind mit unseren Projektpartner*innen verbunden."

3. Gibt es Förderbereiche, die für Sie beide in den letzten 20 Jahren an Relevanz und vielleicht sogar Dringlichkeit zugenommen haben?

Heide Dürr: "Alle Themen sind relevant, wenn es um die Gesellschaft geht. Für mich ist und bleibt der Bereich der frühkindlichen Bildung ein dringlicher. Und das hat sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert.  Wir müssen weiter dafür sorgen, dass Eltern und Familien einbezogen werden in den Bildungsprozess ihrer Kinder. Dafür steht der Early Excellence-Ansatz, den wir seit Beginn der Stiftung fördern. Unser Forschungsbereich z.B. ist ein Bereich, der stärker in das Bewusstsein der Gesellschaft gebracht werden sollte. In unserer Gesellschaft ist es nur wenigen bekannt, was gerade in Bezug auf genetisch bedingte Erkrankungen geforscht wird. Und was man nicht kennt, macht Angst. Und Angst wird ihrer destruktiven Kraft dann beraubt, wenn man darüber spricht. Deshalb sollten Forschungsergebnisse verständlich gemacht werden, damit diskutiert werden kann, wie wir mit den Ergebnissen umgehen können."

4. Was würden Sie sagen macht die Heinz und Heide Dürr Stiftung besonders?

Heinz Dürr: "Wir wollen gar nichts besonders sein! Wir wollen, wie andere Stiftungen auch, in Nischen springen. Das ist uns eine Herzensaufgabe. Deswegen sind wir auch persönlich in unsere Förderungen involviert und geben nicht nur Geld, sondern sind da selber schon mit dabei, z.B. ich als Beiratsvorsitzender des Instituts für Energieeffizienz. So wie die Dürr AG nach wie vor ein Familienunternehmen ist, ist die Heinz und Heide Dürr Stiftung eben auch familiär geprägt.

Ein klein wenig besonders ist vielleicht, dass wir bei Early Excellence seit Jahren operativ tätig sind – das gibt es innerhalb von Stiftungen nicht so oft. Uns ist die Nachhaltigkeit von Förderungen ein Anliegen, dass sich etwas entwickelt und wächst und aus sich heraus Weiteres anschiebt, also Impulse gibt. Und das geht nur mit engagierten Menschen. Übrigens gilt, auch wenn meine Frau dem widersprechen würde: Wenn ein Schwabe Geld gibt, ist das immer eine Herzensangelegenheit!"

5. Als guter Letzt, hätten Sie noch einen Tipp, wie man sich konkret, auch im Kleinen, engagieren kann?

Heide Dürr: "Engagement setzt da an, wo man miteinander spricht. Dass man Menschen zuhört und ihnen da wo sie nicht weiterkommen, weiterhilft. Für alle zwischenmenschlichen Begegnungen finde ich eins wichtig: Interessiert Zuhören und Nachfragen! Das wäre mein Tipp für gesellschaftliches Engagement. Allein, wenn im Gespräch neue Sichtweisen auftauchen, ist das schon ganz schön viel. Vielleicht kann man dann sogar gemeinsame Wege finden."

Vielen Dank für das spannende Gespräch!

> In Memoriam: Heinz Dürr (16.7.1933, † 27.11.2023)
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