Die Berliner Stiftungswoche fand 2019 zum zehnten Mal statt. Genau der richtige Zeitpunkt, um einmal hinter die Kulissen zu schauen. Und wenn wir die Antworten des Geschäftsführers der Berliner Stiftungswoche gGmbH, Stefan Engelniederhammer, zu unseren drei Fragen lesen, sind wir einmal mehr glücklich, dass wir dabei sind...

1. Was unterscheidet die deutsche Stiftungskultur von Stiftungskulturen anderer Länder?

Stefan Engelniederhammer: "In den angelsächsischen Ländern decken viele Stiftungen Lebensbereiche ab, die bei uns glücklicherweise durch den Sozialstaat gewährleistet sind. In vielen romanischen Ländern ist der Stiftungssektor immer noch stark durch die Nähe zur Kirche geprägt. Mit Blick auf Deutschland bin ich immer wieder von der enormen Bandbreite der Stiftungskultur hierzulande überrascht – institutionell wie inhaltlich. Da gibt es mildtätige Stiftungen wie die Fuggerei in Augsburg als älteste Sozialsiedlung der Welt, die bis heute nach den Spielregeln des frühen 16. Jahrhunderts funktioniert. Und gleichzeitig wählen heute immer mehr Initiativen und NGOs die Rechtsform einer Stiftung für ihre konkrete politische und zivilgesellschaftliche Arbeit. Das alles belegt die lebendige Stiftungskultur in Deutschland. Aber ich sehe auch die Gefahr, dass der Stiftungssektor in Deutschland schleichend in eine Rolle gedrängt wird, gewisse sozialstaatliche Aufgaben zu übernehmen, wenn die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft immer weiter aufgekündigt werden. Das würde langfristig nicht nur das sozialstaatliche Gefüge in Deutschland verändern, sondern auch unsere Stiftungskultur."

2. Was war für Sie in den letzten zehn Jahren innerhalb des Stiftungsbereichs das prägendste Ereignis und warum?

Stefan Engelniederhammer: "Wenn Sie mich nach einem Ereignis exakt aus den vergangenen zehn Jahren fragen, liegt meine Antwort als Geschäftsführer der Berliner Stiftungswoche gGmbH auf der Hand: Unser Format hat im April 2019 zum zehnten Mal stattgefunden. Dass es also gelungen ist, die Stiftungswoche in Berlin von der ursprünglichen Idee einer konzertierten Aktion in einem Jahrzehnt bis zu ihrer heutigen Größe zu entwickeln, ist eine große Leistung aller Beteiligten. Viele Kolleginnen und Kollegen, die teilweise über jahrzehntelange Erfahrung in der Stiftungsarbeit verfügen, berichten mir regelmäßig, dass es heute deutlich leichter geworden ist, Kooperationen mit anderen Stiftungen zu bilden und Projekte gemeinsam zu realisieren. Darin liegt ein echter Mehrwert, der sich aus Projekten wie der Stiftungswoche speist. Aus dem ursprünglichen losen Netzwerk ist ein dichtes Geflecht geworden. Das prägt inzwischen die Arbeit vieler Stiftungen in Berlin – und natürlich unsere Arbeit in der alljährlichen Konzipierung und Durchführung der Stiftungswoche."

3. Was würde einer Welt ohne Stiftungen fehlen?

Stefan Engelniederhammer: "Um es mit einem Wort zu sagen: Empathie. So wie ich Stiftungen in ihrer Arbeit erlebe, geht es im Kern immer um Zuwendung zu Menschen und um Hinwendung zu Themen. Und beides ist ohne ein starkes Einfühlungsvermögen unmöglich. Empathie ist einerseits die Voraussetzung für stifterisches Wirken und andererseits kann Stiftungsarbeit wiederum Empathie erzeugen. Eine Welt ohne Stiftungen wäre also kälter, blasser, fatalistischer. Immer wenn ich kurz vor der Drucklegung das Programmheft der Berliner Stiftungswoche Korrektur lesen darf, bin ich jedes Jahr aufs Neue von den vielen Veranstaltungen und Projekten der teilnehmenden Stiftungen beeindruckt, die genau dafür sorgen, dass die Welt wärmer, farbenfroher und optimistischer ist. Da kann man nach über 100 Seiten Korrektur lesen schon ziemlich beseelt sein. Ein Kollege hat dieses Gefühl einmal augenzwinkernd mit einem Besuch auf einem Kirchentag verglichen. Auch wenn die Stiftungswoche natürlich ein säkulares Format ist, trifft es der Vergleich ganz gut."

Vielen Dank für das spannende Gespräch!

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