Als Poetry-Slammerin und Bloggerin angefangen, ist Ninia La Grande (gebürtig Binias) mittlerweile eine vielseitig anerkannte Autorin, Moderatorin, Podcasterin und "Kreativpionierin Niedersachsens". Ihre Arbeit führt sie über Themenbereiche, wie Bildung, Kultur und Politik hinaus. Ihre Projekte nehmen die Gesellschaft in den Blick und diese inklusiver, offener und fairer zu gestalten und nachhaltig zu verändern. Die Heinz und Heide Dürr Stiftung traf Ninia La Grande auf einen Kaffee, hier lesen Sie Ausschnitte zum Thema Inklusion, frühkindliche Bildung und Engagement in der Gesellschaft.

1. Frau "La Grande", was halten Sie von den Grundsätzen des Early Excellence-Ansatzes (EE) und welchen Tipp/Wunsch hätten Sie noch mit Blick auf das Thema Inklusion im KiTa-Bereich?

Ninia La Grande: "Ich finde den Early Excellence-Ansatz (EE) sehr gut. Wenn das in einer KiTa mit 20 Kindern auf jedes individuell angewendet wird, das finde ich sehr wünschenswert. Genauso ein Ansatz fehlt meiner Meinung nach. Dennoch müssten sich zunächst die allgemeinen Betreuungsumstände ändern. Erzieher*innen und Lehrer*innen allein können das mit einer 30-köpfigen Gruppe nicht leisten. Wenn der EE-Ansatz schon grundlegend im Bildungssystem verankert wäre, dann würde man wahrscheinlich auch in der KiTa mit frühkindlicher Förderung ganz anders herangehen.

Meiner Meinung nach, bräuchte es also mehr pädagogische Kräfte, um den EE-Ansatz mehr in das frühkindliche Umfeld zu verankern. Und da kommen wir dann zum Thema Inklusion, denn auch in diesem Thema scheitert es am pädagogischen Fachmangel. Wobei ich sagen muss, dass der Inklusionsansatz in KiTas und Grundschulen immer mehr umgesetzt wird. Aber wenn wir über frühkindliche Bildung sprechen, dann finde ich es wichtig, nicht "stock und steif" auf Umsetzung der Inklusion zu pochen. So ungefähr nach der Devise, „wir müssen jetzt unbedingt Inklusion machen!“, so dass schon alle ganz genervt sind, weil sie selbst nicht betroffen sind oder keine Erfahrungswerte besitzen.

Viel mehr sollten wir da mit einem offenen Herzen heran und in den Austausch gehen. Also sich damit auseinanderzusetzen, was z.B. Barrierefreiheit wirklich bedeutet: Barrierefreiheit heißt ja nicht nur, Umsetzung von Rampen und Fahrstühle, sondern auch, ob gehörlose Kinder mit hörenden Kindern spielen können, ob es Lernprogramme für Kinder mit Lernschwierigkeiten gibt. Da fehlt es an allen Ecken an Fachpersonal, auch Fachpersonal „eigener Sache“: Es gibt zu wenig Fachpersonal mit eigenen Erfahrungswerten, weil es nur wenig bis keine Möglichkeiten für Menschen gibt, sich als z.B. gehörlose Erzieherin ausbilden zu lassen. Zudem begegnet mir oft im Bildungsbereich, dass sich zwar damit gerühmt wird, ein inklusives Projekt oder Format zu haben, aber daran sind meist nur Kinder mit Behinderungen involviert. Das ist nicht inklusiv, denn Inklusion heißt: „Alle zusammen! Alle sind auf Augenhöhe!“

2. Wie wichtig schätzen Sie das persönliche Engagement ein, auch im Bezug zur derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklung?

Ninia La Grande: "Ich bin davon überzeugt, das persönliches Engagement sehr wichtig für unsere Gesellschaft ist. Ich selbst habe viel von persönlichem Engagement profitiert, weshalb ich gerne etwas zurückgeben möchte und jetzt im Vorstand unseres KiTa-Laden bin.

Es gibt wirklich sehr viele Möglichkeiten, sich persönlich zu engagieren. Ich bin auch überwältig, wie viel Engagement unserer Gesellschaft gegenüber ukrainischen Schutzsuchenden zeigt, das ist so wichtig! Wobei wir auch hier reflektieren sollten und weiter im politischen Diskurs bleiben sollten, vor allem auf Rassismus bezogen. Die meisten Menschen denken, dass sie nicht viel leisten können oder es im Alltag gar nicht tun. Doch es sind ja gerade die kleinen Dinge im Alltag auf die es ankommt, z.B. die alleinerziehende Freundin zu fragen, ob man mal einkaufen gehen soll. Das ist ja schon eine große Sache für einen einzelnen Menschen. Ich glaube, dass die meisten Menschen schon viel mehr tun als ihnen eigentlich bewusst ist."

3. Wenn Sie an Ihre Zeit in der KiTa oder Grundschule zurückerinnern, was hätten Sie sich im Nachhinein von Ihren Erzieher*innen und Lehrer*innen gewünscht in Bezug auf Ihre Bedürfnisse als Kind?

Ninia La Grande: “Ich muss schon sagen, dass in meinem damaligen Umfeld schon alle sehr viel richtig gemacht haben, auch wenn es diesen Begriff Inklusion noch gar nicht gab. Das liegt mit Sicherheit aber auch daran, dass meine Eltern sehr viel dafür getan und gekämpft haben. Meine Mutter hat mir sehr viel Selbstbewusstsein mit auf den Weg gegeben. Das haben ja aber auch nicht alle, was total okay ist. Was ich im Nachhinein reflektiere, dass ich als Kind immer das einzige kleinwüchsige Mädchen war. Wenn ich vielleicht mehr Verbündete, mit gleichen Erfahrungswerten gehabt und die nicht erst mit 16 Jahren im Internet gefunden hätte, dann wäre vielleicht auch noch mal einiges anders gewesen. Aber insgesamt habe ich mich im Klassenverband und den Lehrer*innen sehr gut aufgehoben gefühlt.

Der dramatische Aspekt daran ist, dass ich oft sage „Ich hatte Glück". Das darf nicht so sein, denn eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Chancen in KiTa, Schule und in unserer Gesellschaft haben.”

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