Eva Messlin ist KiTa-Leitung der KiTa Menschenskinder in Berlin-Friedrichshain. Die Einrichtung ist ein wichtiger Träger in Friedrichshain-Kreuzberg, die zwei intensive Pandemie-Jahre hinter sich hat. Wir sprachen mit Eva Messlin über die Auswirkungen der Pandemie auf die Betreuungssituation und ihre Tipps, um das Gemeinschaftsgefühl im Team zu stärken.

1. Frau Messlin, wie schätzen Sie die derzeitige Betreuungssituation in KiTa-Einrichtungen ein? Bemerken Sie Unterschiede seit der Corona-Pandemie?

Eva Messlin: "Die Betreuungssituation der letzten zwei Jahre bedeutet eine große Herausforderung für die pädagogischen Teams unserer KiTa Menschenskinder. Diese sah im Verlauf der Pandemie ganz unterschiedlich aus. Am Anfang hatten wir es vor allem mit den Belastungen der Familien zu tun, welche durch die wochenlangen Schließungen und den nicht erlaubten Zugang in die KiTa nicht selten an den Rand ihrer Möglichkeiten kamen. Unser größtes Anliegen war damals, für die Familien eine digitale Plattform zu errichten, um den Kontakt zu halten, Austausch zu ermöglichen und Entlastung durch Input für die Kinder zu bieten. Dies war mal eine ganz andere Form von pädagogischer Arbeit, die uns aber sehr gut gelungen ist.

Danach war für unserer Teams vor allem die Zeit der „stabilen kleinen Gruppen“ die größte Herausforderung. Unsere Pädagog*innen schätzen die offene Arbeit und betrachten sie als Grundlage ihrer pädagogische Philosophie. Sie haben diese Arbeitsstelle bewusst ausgewählt, um Kindern das höchste Maß an Möglichkeiten, Mitbestimmung und Beteiligung zu gewähren. Gruppen – und Raumöffnung sind maßgebend dafür. Hier die Kinder zu beschränken, war für alle eine harte Nuss. Natürlich haben wir im Rahmen der Möglichkeiten alles dafür getan, die Kinder im Sinne des Early Excellence Ansatzes zu unterstützen.   

Jetzt, da wir in der Kita endlich wieder ohne diese Beschränkungen in unseren offenen Gruppen arbeiten können, haben wir endlich wieder das Gefühl, wirklich unser Konzept ausleben zu können. Allerdings plagen uns gerade Krankheitsausfälle bei den Kolleg*innen, wie ich sie in meiner bisherigen Tätigkeit in unserer Kita noch nicht erlebt habe. Dachten wir, wir wären ganz gut durch die Pandemie gekommen, sieht es derzeit ganz anders aus. Auch hier ist die offene Arbeit die Struktur, die uns dabei hilft, diese kritische Phase zu überstehen. Wir können flexibel reagieren und uns gegenseitig unterstützen, so dass sich die Situation nicht negativ auf die Kinder auswirkt."

2. Was muss aus Ihrer Perspektive auf politischer Ebene geschehen, um die Betreuungssituation zu verbessern?

Eva Messlin: "In der gesamten Pandemie hat von Seiten des Senates von Anfang an Transparenz und der Wille zur Zusammenarbeit mit den Kitas gefehlt.

Schwierige Entscheidungen wurden auf die Kitas abgewälzt (wer darf wann, wie lange einen Platz in Anspruch nehmen, wer ist relevant, wer ist „alleinerziehend“). Wir wurden immer sehr spät über Veränderungen informiert, teilweise erst aus der Presse und über die Eltern. Die Lolli-Teststrategie war eine Farce und konnte nur zur Durchseuchung der KiTas führen. Man hat sich auf uns verlassen und wir haben geliefert. Dabei haben wir nicht nur dazu beigetragen, dass die Kitas offen bleiben und die Eltern arbeiten können. Wir haben zusätzlich nicht an Qualität verloren sondern im Gegenteil, den Kindern weiterhin eine wunderschöne und förderliche Zeit geboten."

3. Wie versuchen Sie Ihren Mitarbeiter*innen zu unterstützen? Was tun Sie, dass das Teamgefühl nicht verloren geht?

Eva Messlin: "Man könnte sagen, dass uns vor allem die wichtigsten Leitgedanken des Early Excellence-Ansatzes durch diese Zeit geholfen haben bzw. helfen. Der positive Blick: Besinnen auf das Wesentliche - unsere Ressourcen und Stärken. Was machen wir gut? Was ist uns wichtig bei der Arbeit mit den Kindern und für die Kinder. Wie können wir den Kindern dies auch in der Zeit der Gruppenteilung ermöglichen?

Gemeinsam Verantwortung tragen – Erzieher*innen, Leitung und Träger arbeiten gut zusammen für die gemeinsame Sache. Dies ist ja vor allem in solchen Krisenzeiten gut zu bemerken. Die Anforderungen vom Senat wurden nicht einfach von oben nach unten durchgedrückt, Verantwortung abgewälzt auf die Kolleg*innen in der ersten Reihe. Der Schutz und die Sicherheit der Pädagog*innen waren und sind besonders dem Träger wichtig, da ja genau diese den Betrieb aufrechterhalten.        

Ich konnte in den Teams bei den einzelnen Kolleg*innen einen ganz unterschiedlichen Umgang mit der Pandemie wahrnehmen. Das Teamgefühl zu stärken, war hier eine wichtige Aufgabe. Auf der einen Seite die Sorgen ernst nehmen, Raum für intensive Einzelgespräche und auch Teamgespräche geben. Teilweise wurden dafür auch Supervisionen angeboten und genutzt. Parallel dazu haben Geschäftsführung und ich immer eine offenen Tür und ein offenes Ohr für die Belange der Teams und Kolleg*innen und halten ihnen für ihre Arbeit den Rücken frei.  

Wichtig war und ist es aber auch, zur Entspannung beizutragen - Gelassenheit und Optimismus verbreiten. Und eine große Portion Humor!"

 Vielen Dank für das spannende Gespräch!

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