Ein Blick in Gerhard Löwe's Steckbrief, ehemaliger Leiter der HZE-Abteilung (Hilfen zur Erziehung) des breitgefächerten Kinder- und Familienzentrums St. Josef, ist beeindruckend - ein Early Excellence-Stern der ersten Stunde! Als einer der ersten ausgebildeten Early Excellence-Berater hatte er die innovative Idee, Early Excellence (EE) auch in den Bereich der Hilfen zur Erziehung zu implementieren. Somit wurden auch Sozialarbeiter*innen im Early Excellence-Ansatz ausgebildet. Wie er sein "Ding gemacht" hat, erzählt er uns im 3-Fragen Interview-Spezial...

1. Herr Löwe, springen wir zurück in die Vergangenheit: Warum sind Sie an Bord von Early Excellence gegangen?

Gerhard Löwe: “Schon einige Zeit, bevor ich mich zur EE-Berater*in-Ausbildung 2007 in Berlin angemeldet hatte, gingen mir oft Ideen durch den Kopf, Eltern/Familien noch mehr in die Arbeit im Kinderzentrum St. Josef Stuttgart mit einzubeziehen und zwar nicht im Sinne einer “Defizitkorrektur”, sondern eines Familienzentrums mit Wachstumsmöglichkeiten durch Begegnungen, Beratung und Bildung. Ich wollte also zusätzliche Möglichkeiten schaffen für Partizipation und Selbstorganisation, Mitgestaltung durch Ideen und Angebotsdurchführung, Öffnung in den Stadtteil und Vernetzung, im weitesten Sinne Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensqualität von Familien in Stuttgart-Ost. Bei diesen Überlegungen stieß ich auf das Konzept Early Excellence, welches mir in nahezu idealer Weise zu passen schien zu den franziskanischen Grundwerten der Einrichtung St. Josef Stuttgart mit seiner Familien- und Stadtteilorientierung sowie seinem christlichen Menschenbild.

“Wenn nicht jetzt, wann dann?”, dachte ich und war ganz im Glück, eine solch günstige Voraussetzung für die Einführung von EE vorzufinden. Eine Konsultation bei Anita Wallner-Dieterich in St. Stefan Stuttgart, das schon auf dem Weg zu EE war, bestärkte uns in unserem Vorhaben. So war es in der Folge eine “mission possible”, den Träger der St. Josef gGmbH, die Geschäftsführer, die Leitungskolleg*innen und Mitarbeiter*innen von dieser Passung zu überzeugen. Die Sache nahm ihren Lauf. Stefanie Entzmann, Monika Lehenberger und ich absolvierten 2007 in Berlin die EE-Berater*in-Weiterbildung und kamen mit vielen neuen Ideen im Gepäck zurück nach Stuttgart. Die Heinz und Heide Dürr Stiftung konnte für eine großzügige Förderung von St. Josef gewonnen werden. Noch im selben Jahr wurde das Familienzentrum eröffnet, in den Folgejahren die Mitarbeiter*innen geschult und ab 2011 unter Trägerschaft der Bildungsakademie St. Loreto Schwäbisch Gmünd der EE-Berater*in-Kurs angeboten, in dem ich bis letztes Jahr mit Freude als Kursleiter und Referent bei insgesamt 8 Kursen tätig war.

2. Schauen wir ins Jetzt: Was ist Ihr persönlicher Early Excellence-Wow-Moment?

Gerhard Löwe: “Es gibt viele Wow-Momente. Begeistert hat mich etwa, wie engagierte EE-ler*innen kreativ in der Pandemie den Kontakt zu den Eltern aufrecht erhalten haben (Videoschaltungen, digitale Angebote, Päckchen vor die Haustüre, Gespräche am Gartenzaun, Parcours mit Spielstationen und Quizfragen im Umkreis des KiFaZ u.a.m.). Ein „Wow-Moment“ war der Tag, als Kinder während der Pandemie  nach und nach wieder auf Spielplätzen und in der Kita zusammen kommen durften.

„Wow“, wenn ich sehe, wie Menschen im KiFaZ, die bislang nicht so sehr auf der Sonnenseite des Lebens gestanden haben, sich Dinge zutrauen (an die sich bislang nicht ran gewagt haben), sich zugehörig fühlen (statt ausgeschlossen), wie sie bereit sind, sich für die gemeinsame Sache “Familienzentrum”  einzusetzen und gewissermaßen als Werbeträger für diese Idee aufzutreten.

“Wow” dachte ich auch, als bei offiziellen Anlässen wie einer Sitzung des Bezirksbeirates, bei Jubiläumsfeiern, Konsultationsbesuchen oder bei Fachtagen (bis zu 100 km von Stuttgart entfernt) Eltern, genauer gesagt Mütter, bereit waren, über “ihr” Familienzentrum zu berichten und Fragen zu beantworten – nicht ganz so einfach für jemanden, der sonst an der Kasse des Drogeriemarktes sitzt, in der Altenpflege tätig ist oder als “nur” Hausfrau.

“Wow” dachte ich, als Eltern mit der Idee auf mich zukamen, die verwaiste Pforte wiederzubeleben und sich ehrenamtlich für die Mitarbeit zur Verfügung stellten. „Wow“ sage ich angesichts der Tatsache, dass Mütter aus dem Familienzentrum bei den EE-Kursen samstags mit einer großen Selbstverständlichkeit für uns in der Küche standen und uns mit Getränken, Butterbrezeln und Obst versorgten. „Wow“ denke ich immer wieder, wenn ich sehe, welches lebendige Miteinander entstanden ist zwischen Eltern und Mitarbeiter*innen und zwischen Eltern untereinander – gut so!

Und last but not least: „Wow-Momente“ waren für mich, als ich mit meinen EE-Kolleg*innen Steffi, Moni und Sandra auf den Brettern, die die "Early Excellence-Welt" bedeuten, bei Jubiläen der Heinz und Heide Dürr Stiftung, beim 80. Geburtstag von Heinz Dürr oder im Tonstudio in Stuttgart selbst getextete EE-Songs trällern durfte.

3. Ein Blick in die Zukunft: Was würden Sie zukünftigen EE-ler*innen mit auf den Weg geben wollen?

Gerhard Löwe: “Wenn Du Dir sicher bist, dass Early Excellence zu Dir und Deinen Werten passt, dann “mach Dein Ding”, um es mit den Worten von Udo Lindenberg zu sagen und schau, dass Du in Deinem Element dabei bist (vgl. die Pinguingeschichte von Eckart von Hirschhausen).

Aus der letzten Zeit wissen wir nur allzu gut, dass es im Leben oft anders kommt als man denkt. Deshalb mach keinen Plan für die Ewigkeit, sondern gehe entschlossen den nächsten Schritt in Deinem Masterplan an, auch wenn die äußeren Umstände nicht die besten sind. Behalte Dein Ziel klar vor Augen und sei flexibel bei den Mitteln und dem Weg, der Dich dem Ziel näherbringt. Vor allem bewahre Dir den “Positiven Blick” auf die Menschen und Ressourcen in Deinem Handlungskontext. Wenn Du auf manche Ressource gerade keinen Zugriff hast, nutze die verbleibenden um so nachhaltiger. Sobald sich Zeitfenster zum Handeln öffnen, mache Gebrauch davon und nehme noch zögernde Personen möglichst mit, ohne dabei jemanden zu überrumpeln. Der Glaube an die mögliche Realisierung von Zielen und der damit verbundene “Pädagogische Optimismus” wird Dir immer wieder Erfahrungen von Selbstwirksamkeit bescheren, Dich bestätigen und Dich weiterhin motivieren. So bleibst Du im emotionalen Wohlbefinden oder findest zumindest immer wieder in diese Zone zurück. Es kann helfen, sich gerade in schwierigen Zeiten der Kraft und des Werts von Resilienz und Empowerment bewusst zu werden und Kinder wie Erwachsene in ihrer Entwicklung zu stärken. Bleibe den Menschen zugewandt, interessiere Dich für ihre Geschichten, dann hast Du als EE-ler*in einen stetigen Quell der Freude und Bereicherung in Deinem Leben.”

Wir danken Gerhard Löwe für den spannenden Einblick in seine Arbeit und für sein Engagement für Early Excellence!

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